Dienstag, 26. Dezember 2023

Die schönsten Konzerte 2023 (Dirk)

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Konzert: Best of 2023: Dirk
Ort: div.
Datum: 2023
Dauer: div.
Zuschauer: div.


Die schönsten Konzerte 2023: 


1: U2 / The Sphere / Las Vegas – Nichts hätte selbst einen erfahrenen Konzertblogger darauf vorbereiten können. Ein Trip, wie ihn im Film Astronaut Bowman im Finale von 2001-Odyssee im Weltraum erlebt, inclusive des astralen Sternenkinds „Achtung Baby“. Noch nie wurden so hohe Erwartungen noch übertroffen. Ein weiter, offener Blick in die Zukunft des Live-Entertainments und eine Band, die diesen Triumph mit ihren immer ambitionierten Bühnenlayouts absolut verdient hat.

2: AUGN / Kaiserkeller / Reeperbahn Festival – Was könnte gegensätzlicher sein, als Platz 1 und 2 in dieser kleinen Liste. Hier gab es nichts zu sehen, wenig zu hören und gerade durch diese Dekonstruktion eines Konzertes wurde es ein Ereignis. Endlich Musik, die nicht für die Hörer designt scheint, das muss Kunst sein. Macht höllischen Spaß und schlechte Laune. Hallt bis heute nach.


3: Pavement / BBK Bilbao / Bilbao – Die Band spielte dieses Jahr nur einige, wenige Festivals in Europa. Deplatzierter als in Bilbao waren sie wohl nirgendwo. Als Headliner vor einem Publikum von Schulabgängern war es noch nie so einfach, diese Lieblingsband auf einer großen Bühne aus der ersten Reihe zu verfolgen. Ich hatte einen Heidenspaß, nach hinten soll man ja eh nie schauen.

4. Spiritualized / Paradiso / Amsterdam – Diese drei Worte reichen für mich schon, um einen wohligen Schauer zu spüren. Endlich wieder auf Tournee, rührt mich diese einmalige und umwerfende Mischung aus Shoegaze und Gospel immer wieder zu Tränen. Der Sound oszilliert durch das ehrwürdige Gebäude, Melodien und Gitarren verschwimmen zu einem zweistündigen Traum.


5.-6. Billie Eilish + boygenius / Lowlands Festival / Biddinghuizen NL – Diese zwei Konzerte konnten Generationen vereinen. Mit den eigenen Kindern Festivals zu besuchen, mag sich befremdlich anhören, es kann aber auch völlig neue Horizonte eröffnen. Pure Emotionalität und strahlende Gesichter auf und vor der Bühne. Wetter, Spaß und Party stehen in einem perfekten Verhältnis, als boygenius den Nachmittag erhellen und später Billie zur Sternennacht aufspielt. Die Mischung: Ausnahmekünstlerin und nahbarster Popstar, bleiben für immer in Erinnerung. „What was i made for ?“. Genau dafür.


7. The Haunted Youth / Maifeld Derby / Mannheim – Mitten in der Nacht stolpern die Musiker im völligen Bodennebel des kleinen Hüttenzelts auf die Bühne. Besser wird man diese Band wohl nie mehr erleben können. In Benelux bereits nur noch auf Hauptbühnen anzutreffen, spürt man hier noch die pure Spielfreude und die hymnischen Songs am ganzen Körper. Die letzten beiden Songs schrammelte der Dream Pop Mastermind J. Liebens liegend. Es war auch schon spät. 


8. Lambrini Girls / Misty Fields Festival / Asten-Heusden –  Frikandel, Queer, Punk, Brighton, Bier, Gitarren, Stagediving. Toller Sonnenuntergang in den Niederlanden.


9. Sylvie Kreusch / Haldern Pop Festival / Haldern – Im Spiegelzelt zündet die belgische Sängerin bereits am Nachmittag eine würdige Headliner Show. Vieles erinnert an Lykke Li, die an gleicher Stelle vor ein paar Jahren ebenfalls alle verzauberte. Manchmal muss es halt auch Pop sein. Toll.


10: Puma Blue / Reeperbahn Festival 2023 / Kirche St. Pauli – Viel zu tief unter dem Radar verlief bisher die Karriere von Jacob Allen. Jetzt aber ist seine Zeit gekommen. Live präsentiert er mit seiner umwerfenden Band eine hypnotische Mischung aus Post-Folk, dunkelstem Jazz und tiefer Melancholie, die die Kirche von Sankt Pauli geradezu erleuchtet. Spielt beim Haldern Pop 2024, nicht verpassen. 


Fotos: Dirk Langen / Denis Schinner









Montag, 30. Oktober 2023

Allo Darlin', Ramsgate, 27.10.23

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Konzert: Allo Darlin'
Ort: Ramsgate Music Hall
Datum: 27.10.2023
Dauer: 85 min ca.
Zuschauer: 125 (ausverkauft)



Oft weiß man ja erst, wie gut etwas war, wenn es nicht mehr da ist. Von dem Miraculi-Käse behaupten das viele. Bei Allo Darlin' war das ganz anders. Als die Band 2016 ihr Ende ankündigte und drei Abschlusskonzerte in London spielte, war uns allen sehr bewusst, was da verloren gehen würde. 

Allo Darlin' waren in den knapp zehn Jahren ihres Bestehens vermutlich die wichtigste Indiepop-Band, wenn man Indiepop im eigentlichen Sinn definiert und nicht als "Popgruppe ohne Plattenvertrag." 

Auf der Fahrt nach Ramsgate überlegte meine Reisegruppe, die schon 2016 zu den letzten drei Konzerten gefahren war, wie wir Allo Darlin' kennengelernt hatten. Trotz intensiver Recherche von Facebook-Chats und Konzertberichten gelang uns das nicht zweifelsfrei. Alle drei Konzerte in Köln hatte ich gesehen, startend mit dem im AStA-Café mit den Smittens 2010. Der zweite Köln-Auftritt fand in den Hängenden Gärten 2012 statt, der letzte in einem Ausweichkeller der Hängenden Gärten 2014. Dazwischen sah ich die australisch-englische Band beim End of the Road Festival und natürlich beim Indietracks. 

Als sich Allo Darlin' auflösten, war Bassist Bill nach Australien zurückgezogen, aufs Land, allerdings in eine Gegend, in der die Spinnen sehr groß aber nicht so sehr tödlich sind. Sängerin Elizabeth stammt aus Queensland (Spinnen klein und sehr tödlich, alles andere auch, unabhängig von der Größe), war aber erst nach Italien und dann nach Norwegen gezogen. Gitarrist Paul und Schlagzeuger Michael blieben in England. praktikabel war das für die Band alles nicht.

Michael hat mittlerweile in Ramsgate in Kent ein Studio. Grund für den außergewöhnlichen Ort für eine Reunion war allerdings der zehnjährige Geburtstag der Ramsgate Music Hall. Allo Darlin' hatten 2013 das erste Konzert in diesem kleinen Konzertsaal gespielt. Natürlich war das erste Konzert nach sieben Jahren sofort ausverkauft. Bevor das große am nächsten Tag in London angekündigt wurde, schob der Veranstalter in Kent noch eine Matinée am Freitag dazwischen. Wir wollten der alten Tradition des Konzerttripels folgen und kauften für alle drei Tickets. 

Das Nachmittagskonzert fand um 15:30 statt. Unser Tag am Meer hatte regnerisch angefangen und wurde immer schöner. Als wir in die Music Hall kamen, war draußen wunderschönes Spätsommerwetter. Drinnen war es erst einmal sehr dunkel. Trotzdem kapierten wir schnell, wie winzig der Konzertsaal ist. 125 passen rein, hätte ich raten müssen, hätte ich 50 geschätzt. 

"Es ist sehr emotional und bedeutungsvoll für uns! Wir haben geübt... zwei Tage lang. Und man sagt ja, dass es wie das Radfahren ist, bis dann... Ok, wir fangen an!" 

Und wie! Wonderland ist seltener mein Allo-Darlin'-Lieblingslied als andere, war aber alleine wegen des Titels so passend. Wir waren sofort wieder im Indiepop-Wunderland. Wer die Band schon einmal live gesehen hat, wird den dauernd lachenden Bill vor Augen haben. So sahen wir alle aus! Capricornia, auf Platte ein Hit, ist live noch viel besser. Beim Essen hatten wir uns unterhalten, was unsere liebsten Lieder der Band sind, was man halt so macht. Unsere Liste war allerdings lang. Denn anders als die meisten ihrer Kollegen, sind alle drei Allo-Darlin'-Alben komplett frei von nicht-Hits. Deswegen war es vollkommen egal, dass ein ganzer Schwung Lieblinge fehlte, If loneliness was art, The Polaroid song, Henry Rollins don't dance, My sweet friend, History lessons, es war ja schon perfekt. 

Elizabeth fragte ihre Kollegen immer wieder, was das Radfahren mache. Mit Sicherheit waren sie vor dem Konzert nervös, auch wenn es dafür keinen Grund gab, sie spielten ja auf extrem sicherem Geläuf, man spürte aber nichts von Verunsicherung. Elizabeth und Bill hätten die auch mit ihrem Strahlen und ihren Ansagen und Anekdoten sehr gut verdeckt. 

Für einige Lieder kam "das fünfte Bandmitglied" Geiger Dan Mayfield auf die Bühne. Dan lebt jetzt praktischerweise auch in Ramsgate. Er war aber auch am Samstag in London dabei, wie schon bei den Konzerten 2016. Andere Gastauftritte gab es auch erst in London aber - auch wenn ich mich wiederhole - es war ja schon perfekt!

Die Single Darren, die auf keinem der drei Alben ist, beendete das Set nach 70 Minuten. "Good afternoon!" 

Neil Armstrong, Dreaming und Kiss your lips waren die drei Zugaben des ersten der drei neuen Allo-Darlin'-Konzerte. 2016 beim vorletzten Auftritt hatte Elizabeth Dreaming damit angekündigt, dass Bill das zum letzten Mal singen werde. Wie gut, dass diese Vorhersage Quatsch war! 

Unter den wenigen Konzerten, die ich 2023 gesehen habe, waren mit Heavenly schon ein paar echte Knüller. Wenn ich aber genug für eine Top-10 gesehen hätte, wären dreimal Allo Darlin' auf den ersten Plätzen, das Nachmittags-Konzert am Freitag in Ramsgate war das beste. Und ich vermisse die Band schon jetzt wieder, obwohl sich ihre Lieder den Job als Ohrwurm bei mir abwechseln. 

Setlist Allo Darlin', Ramsgate Music Hall, Ramsgate:

01: Wonderland
02: Capricornia
03: Crickets in the rain
04: We come from the same place
05: Europe
06: Some people say
07: The letter
08: Let's go swimming
09: Tallulah
10: Kings & Queens
11: Silver dollars
12: My heart is a drummer
13: Bright eyes
14: Darren

15: Neil Armstrong (Z)
16: Dreaming (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Allo Darlin', London, 10.12.16 (abends):
- Allo Darlin', London, 10.12.16 (15 Uhr)
- Allo Darlin', Köln, 01.12.14
- Allo Darlin', Ripley, 25.07.14
- Allo Darlin', Köln, 21.11.12
- Allo Darlin', Paris, 10.07.12
- Allo Darlin', Wien, 04.03.11
- Allo Darlin', Paris, 25.02.11
- Allo Darlin', Köln, 28.07.10
- Allo Darlin', Paris, 27.07.10



Donnerstag, 26. Oktober 2023

Vorbericht New Fall Festival, 01.11.-04.11.2023, Düsseldorf

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Konzert: New Fall Festival 2023
Ort: div. Orte Düsseldorf
Datum: 01.-04.11.2023
Dauer: 4 Tage
Zuschauer: div.


Der Herbst ist da, und natürlich bietet uns das New Fall Festival in Düsseldorf auch dieses Jahr wieder die passende Musik an besonderen Orten. 
Vom 01.-04.11.2023 wird es rund um den Ehrenhof und im frisch renovierten Schauspielhaus wieder Zeit für das sorgsam kuratierte Line-Up am Rhein. 

Dieses Jahr mit so unterschiedlichen Klängen wie von Kokoroko, einem afrikanischen Künstlerkollektiv zwischen Afro-Jazz und Beats. Bläser und Rhythmus wohin man schaut. Dies im bestuhlten Schauspielhaus zu präsentieren, war ja schon immer der Reiz am New Fall Festival. 


Newcomer Sounds gibt es im Pong mit der fantastischen Girlwoman: tanzbarer, melancholischer Indie aus Deutschland von Axana, voller Methapern und künstlerischer Freiheit.


In den größeren Sälen warten natürlich die bekannteren Namen. Allen voran natürlich Benjamin Clementine, der mit seinem
Charisma die Tonhalle im Sturm nehmen wird (die Zeit als launenhafte Diva sind ja bei ihm lange vorbei) und die Senkrechtstarterin Hania Rani, die schon im Sommer viele Festivals mit ihrer Mischung aus elektronischen und akustischen Klängen begeistern konnte. 


Ein besonderer Abend wartet dann noch im Robert Schumann Saal. Gleich drei hervorragende Acts an einem Abend. Für die etablierten Sounds sorgen Get Well Soon, für den Hype Tristan Brusch und als Newcomer präsentiert sich Lie Ning mit seiner vielschichtigen Performance. 

Die Crucchi Gang und Nick Waterhouse bedürfen ja keiner weiteren Vorstellung, hier sind nur die Überschneidungen bei den Startzeiten mit den anderen Konzerten  zu beachten. 

Besonders empfehlenswert und spannend klingt der späte Ausklang im Foyer des Dhaus am 03.11.2023. Hier gibt es elektronische Sounds aus Frankreich mit Thylacine (Beutelwolf) und die vom Haldern Pop Festival bereits bekannte Ansushka Chkeidze. 


Es erwartet uns also wieder ein extrem abwechslungsreiches Programm zwischen Hits und "hidden secrets". Genauso soll es sein. Tickets sind noch für alle Konzerte und Panels hier erhältlich: 
New Fall Festival 2023 Tickets


Mittwoch, 27. September 2023

Reeperbahn Festival 2023, Hamburg

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Konzert: Reeperbahn Festival
Ort: Hamburg
Datum: 20.09.-23.09.2023
Dauer: 4 Tage
Zuschauer: diverse


Vier Tage Reeperbahn Festival sind vorüber. Das Festival hat zu alter Kraft und Stärke gefunden. Wetter und Line-Up passten perfekt zusammen und auch die Organisation war in diesem Jahr gut aufgestellt. 

Trotzdem kann es selbst den erfahrenen Festivalgänger abschrecken, wenn man bis zum Festivalbeginn nicht einmal schafft, die offizielle Playlist komplett durchzuhören. Aber das ist aber halt auch der Charme eines großen Newcomer- und Showcase Festivals.


Immer mehr zeigt sich aber, dass hier eigentlich verschiedene Festivals parallel stattfinden. Wer Post-Punk und Gitarren liebt, brauchte eigentlich das Molotov mit seinen vier Bühnen gar nicht verlassen. Ab Mittag und bis spät in die Nacht gaben sich hier alle Indie Hoffnungen die Gitarre in die Hand. Besonders der Open-Air Back Yard war in diesem Jahr bei durchweg warmen Temperaturen ein Highlight. 

Hier begeisterten am Mittwoch direkt die aus Nottingham stammenden Cucamaras mit einer energetischen Show, die im nächsten Jahr bei vielen Festivals bestimmt auch für Begeisterung sorgen wird. 

Zuvor erlebte man im kuscheligen Moondoo die herrlich unkomplizierte und humorvolle Katie Gregson-MacLeod. In Schottland schon mehr als ein Geheimtipp. 

Zurück im Molotov, diesmal in der Skybar unter dem Dach, dann endlich auch mal schon bekannte Töne. Deathcrash sind mit ihrem Slowcore schon seit circa zwei Jahren in aller Munde und liefern hier einen staubtrockenen, aber leider nicht so elegischen Auftritt hin, wie bereits gesehen. In den nur 45 Minuten erlaubter Spielzeit konnten sie ihre komplette Bandbreite aber auch nicht beweisen. 

Den einsamer Sieger des Tages gab es dann bei Nacht in der wunderschönen Kirche von St. Pauli zu bewundern. Puma Blue steht völlig zurecht ganz kurz vor seinem großen Durchbruch. Wie er hier virtuos mit seiner Band die Genres von Jazz, Pop, Indie und Soul zelebriert, lässt viele mit offenem Mund zurück. Ein wahnsinnig talentierter Songschreiber noch dazu. Unbedingt anhören. 

Auf der tollen, offenen Bühne am Spielbudenplatz gibt es am nächsten Tag nach dem ersten Kaffee einen koreanischen Showcase mit vier Bands, von denen Cotoba besonders herausragen. Überschwängliche Spielfreude, mal als Indiepop, dann wieder etwas vertrackter und mit mehr Ecken und Kanten. 


Iedereen aus Köln lassen es zunächst im Irish Pub und am Tag darauf nochmal im Fanshop von St. Pauli richtig krachen. Punk in seiner reinsten Form, aber mit der spielerischen Klasse und Härte eines klassischen Duos a la White Stripes. 

Wer die Schweizer von Black Sea Dahu mag, kann danach bei Soft Loft, ebenfalls aus der Schweiz, etwas Luft holen. Genauso wie bei AVEC, wurde gefälliger Indiepop geboten. 

Zurück zum Molotov. Hier startet der australische Nachmittag mit einem extra eingeflogenen Ansager, der fast mehr Raum einnimmt als die auftretenden Bands. Doch sobald die Flying Colours das Mikro übernehmen, ist das schnell vergessen. In nur 30 Minuten fegen sie alle Bedenken beiseite, der Auftritt könnte im Hellen vielleicht deplatziert sein. Kein Spur. Toller Shoegaze, tolle Songs. 

Zum Runterkommen dann ab in Angie's Nightclub. ARTE zeichnet zwei Folgen Plattenkiste mit “Promis” auf. Der Talk gerät launig bis peinlich, die Gäste wenig erfahren im Umgang mit Plattenspielern “ach, es gibt ja zwei Seiten”. Abhaken, weiter geht’s. Und zwar direkt ins andere Extrem. 


Im Rockschuppen Headcrash warten bereits Chalk und knallen ihren Elektropunk durch den Raum. Einzelne Songs sind kaum auszumachen. Der Sänger wirkt charismatisch und ganz schön wütend. Behalten wir mal im Auge. 


Kids Return aus Frankreich bieten den nächsten Kontrast. Interessante Pop Songs a la MGMT (1. Album 😊) mit Harmoniegesang. 


Und damit hier nicht der Verdacht aufkommt, es würde nur die erwartete Indie-Bubbel bedient, steht der Besuch von EBOW ganz oben auf der Liste des Wochenendes. Ebro Düzgün bricht mit den normalen Stereotypen des Hip-Hop und kann gleichzeitig aber auch nicht darauf verzichten. So entsteht ein Spannungsfeld aus queeren und politischen Songs, sowie der üblichen Klischees von Handtaschen und dicken Autos. 
Ebru wirkt aber gerade durch diesen offenen Zwiespalt absolut natürlich und sympathisch. Ein lohnender Abstecher. 

Als Rausschmeißer (mit Ansage) dann noch die neue Punk Sensation aus Dublin. Sprints nehmen das Molotov im Sturm und werden ebenfalls nächstes Jahr viele Festivals glücklich machen. 


Am Samstag spielen dann mein Folk-Lieblinge von William the Conqueror gleich zwei Konzerte. Erst akustisch auf dem für alle freien Festivalgelände am Heiligengeistfeld und später dann noch ein richtiges Set im Indra. Lohnte sich beides. 

Im Molotow Biergarten wird auch heute natürlich wieder gerockt. Die Damen von Hotwax sind am Start. Am vierten Tag fällt ihr Set aber leider etwas ab. Kann aber auch an der Anzahl der bereits gesehenen Post-Punk Bands gelegen haben. 


Ein Live-Podcast will natürlich auch noch besucht werden. “Too many Tabs” sorgen für viele Lacher. Carolin Worbs und Miguel Robitzky (ZDF-Magazine Royal) harmonieren sehr gut und berichten von ihren "Rabbit Holes" im Internet. Lyschko performen dazu live ein paar Songs und natürlich die Titelmelodie.

AUGN spielen das für mich spannendste Set des gesamten Festivals, (siehe eigener Bericht) bevor Team Scheisse dann, mittlerweile schon sehr routiniert, im Hochbunker zwischen Fußballrandalen und Reeperbahn-Touristen den Deckel draufmachen. 


Die Anzahl an Bands kann über vier Tage hinweg ermüdend wirken. Es lohnt sich daher immer, auch bewusst Konzerte zu besuchen, deren Musikrichtung einem vielleicht fremd vorkommt. Alles in allem war es ein rundes und entspanntes Festival. 

Als zusätzliches Lob sollte gelten, das die sonst so begehrten Konzerte in der Elbphilharmonie dieses Jahr so gar nicht im Mittelpunkt standen. 

Tickets für 2024 sind als Early-Bird Version bereits erhältlich. 


Dienstag, 26. September 2023

AUGN, Reeperbahn Festival, Hamburg

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Konzert: AUGN
Ort: Kaiserkeller/Reeperbahn Festival
Datum: 23.09.2023
Dauer: 45
Zuschauer: ca.300


Der Barkeeper im Kaiserkeller an der Reeperbahn hat schlechte Laune. Er hält das EC-Gerät an die Decke. Kein Empfang. Besser wird die Stimmung danach nicht mehr. Weder auf, noch vor der Bühne. 

Vom Band läuft in Dauerschleife eine Publikumsbeschimpfung. Die Bühne ist durch Nebel und Gegenlicht nicht auszumachen. 20 Minuten geht das so und man beginnt zu glauben, diese Kunstaktion könnte schon reichen, um das Projekt AUGN beim Reeperbahn Festival überzeugend zu präsentieren.

Plötzlich setzt dann doch noch ein brachialer Beat ein. Wem "The KLF" noch ein Begriff ist, bekommt eine Ahnung. Schafe kamen allerdings hier nicht zu schaden. Ansonsten gibt es aber weiterhin nichts zu sehen. Einer der Beiden scheint die Texte von seinem Handy abzulesen, vielleicht kommt aber auch wirklich alles in den nächsten 25 Minuten vom Band. 

Mensch zwei tanzt wie ein Rumpelstilzchen mit tiefhängendem Bass um Mensch eins herum. Beide tragen natürlich Gesichtsmasken. Alles egal. AUGN kommen, um sich zu beschweren. Über Deutsche, die Musikindustrie und rechte Wutbürger. Das kommt spät, 30 Jahre nach Tocotronic. 

Aber jetzt sind sie da, f... off Haltung gegen alles inklusive. Es ist ein Highlight, nach gefühlt dutzenden von Post-Punk und HipHop Acts, die die A&R Manager zur Zeit signen wie Sand am Meer. Für diese haben AUGN auch gleich einen neuen Song dabei: „Du bist A&R bei irgendeinem Label und die aller größte Ratte im Geschäft.“

Bei AUGN hat sich etwas angestaut, eine Vorgeschichte mit diversen Labels liegt nahe. Zwischen den Songs dröhnt der Applaus auch gleich mit vom Band. Auf ihrer Insta-Seite posten sie am nächsten Tag: „Reeperbahn Festival, so scheisse wie befürchtet. Nie wieder“. 

Sollte die Rettung der Zeitschrift Titanic nicht gelingen. AUGN könnten sofort übernehmen. Am Ende gibt es ein Mantra über einen Gottesdienst, die Glocken läuten und dröhnen, Neonlicht blendet den Raum, fehlt nur noch Weihrauch. Katharsis beendet.

Ach so, es war großartig.

 

Konzerttagebuch © 2010

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