Freitag, 30. November 2007

Woven Hand, Paris, 29.11.07

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Konzert: Woven Hand (& The Good Life)

Ort: Le Divan Du Monde, Paris
Datum: 29.11.2007
Zuschauer: sehr voll, auch oben


Nie im Leben hätte ich gedacht, daß der noch einmal hierhin zurückkommt. David Eugene Edwards, ex-16 Horsepower Vorstand und heute Frontmann bei Woven Hand war dermaßen genervt von den Bedingungen, die im Juni des Jahres im eigentlich wunderschönen Divan Du Monde (19.1.2008: Iron & Wine!) herrschten, daß es mir unwahrscheinlich erschien, daß er noch einmal einen Fuß in den Laden setzen würde. Sein Mikro baumelte damals lose vor sich hin, der Ton war zu leise, kurzum: es klappte zumindest am Anfang des Konzerts so rein gar nichts (am Ende wurde es dann aber deutlich besser).

Er scheint aber nicht nachtragend zu sein und wählte für sein aktuelles Paris-Konzert erneut die am Fuße des Montmartre gelegene Location. Ist ja auch wirklich lauschig hier, alles wunderbar designt, aber dennoch nicht zu geleckt. Die Bühne und auch der Rest des Clubs ist sehr geschmackvoll, die Bar offen zugänglich, die Bedienungen nett. Wenn man möchte, kann man auch über die Wendeltreppe an der Seite nach oben gelangen, wo man es sich an Cafehausstüchlchen bequem machen kann, oder stehenderweise einen guten und freien Blick auf die Stage genießt. Viele Gäste machten heute davon Gebrauch, so daß es auf beiden "Etagen" knackig voll war.

Das Programm hatte es aber auch wirklich in sich,
denn für Woven Hand sollten die guten The Good Life vom famosen Saddle Creek Label (Bright Eyes, Two Gallants) eröffnen. Deren Sänger und Mastermind Tim Kasher hatte ich zuletzt 2006 mit einer anderen Band gesehen. In Salzburg beim Frequency-Festival trat er vor meinen Augen mit dem rockigeren Projekt Cursive auf. Ersten Kontakt mit der tollen Stimme von Tim hatte ich aber mittels des "Album Of The Year" 2004 aufgenommen. Das Werk gefiel mir spontan so gut, daß ich gleich nachlegen mußte und auch den Vorgänger Black Out erwarb. Am besten gefällt mir aber bis heute die EP "Lovers Need Lawyers" mit der gleichnamigen Hitsingle. Diesen Ohrwurm hat die Band, zu der auch noch die schüchtern wirkende Bassistin Stefanie Drootin und zwei Herren an Gitarre und Schlagzeug gehören, natürlich heute auch wieder gespielt. Ich glaube an dritter Stelle. Für mich zweifelsohne der Höhepunkt des Sets, weil die Band hier wirklich punktgenau und melodieselig ihren wunderbaren Indie Folk-Rock spielt. Bei andere Stücken fransen sie hingegen manchmal etwas aus, auch wenn regelmäßig große Leidenschaft bei Herrn Kasher im Spiel ist. Seine Gesangesorgan ist sehr markant und besitzt einen hohen Wiedererkennungswert. Deshalb glaube ich auch, daß der Mann irgendwann einmal den großen Wurf landen kann, so wie es Labelkollege Bright Eyes vorgemacht hat. Vielleicht jetzt schon mit dem nagelneuen Album "Help Wanted Nights"? Wenn man dem Aufkleber auf der CD-Hülle glauben darf, ist der neue Output ihr bisher bestes Album. "The Fourth and finest LP", ist dort zu lesen. Für mich nach einem kurzen Liveset mit einigen neuen Titeln schwer zu beurteilen. Indie-Musik ist nun einmal nicht so strukturiert, daß man ihr auf Anhieb verfällt. Es bleibt abzuwarten, wie sich das neue Album in den nächsten Monaten im Gehörgang entwickelt. Das Konzert hat mir auf jeden Fall zumindest die Band wieder ins Gedächtnis gerufen.

In der Umbaupause sah man gutgemachte Livemitschnitte von interessanten Bands wie z.B. Moriarty, Final Fantasy, Taxi Taxi! oder auch Efterklang

Projeziert wurden diese auf eine Kinoleinwand vor der Bühne. Man muß wissen, daß der Divan Du Monde auch auf visuelle Darstellung von Musik spezialisiert ist und Festivals veranstaltet, die sich um das Thema Film, Video, Filmmusik drehen.

Irgenwann wurde die Zeit aber doch recht lang, David Eugene Edwards ließ auf sich warten. Beim Auftritt von The Good Life konnte man übrigens in die gemischte! (typisch Frankreich) Toilette wandern sehen. Ob ihn ein neben ihm pinkelnder Fan wohl angesprochen hat? Oder eine junge Frau seinen Schniedelwutz begafft hat? Ich werde es wohl nie erfahren...

Schon da war allerdings sein neuer Look zu bewundern.
Er trug heute ein Stirnband, einen rotstichigen Schnauz und Kotelleten. Man hätte ihn für einen kanadischen Trapper halten können, der auf Schneehasenjagd geht und sich mit einem Huski-Schliiten fortbewegt. Sein Look war also schon einmal äußerst cool, aber seine Gestik und Mimik war noch abgefahrener. Wie ein Seebär bließ er manchmal seine Backen auf, seine Hand bedeckte oft sein Gesicht und wenn eine Textzeile mit dem Wörtchen "eye" vorkam, riss er mit Daumen und Zeigefinger sein Auge auf, als suche er seine Kontaktlinse. Mit den Füßen rödelte er wie ein Irrer auf seinem Stüchlchen und sein Blick war der Musik entsprechend beängstigend. Wenn man ihm nachts begegnen würde, würde man sich beeilen, die Straßenseite zu wechseln. Dabei ist er bestimmt einer der nettesten Menschen der Musikszene. Nach dem Konzert schüttelte er dann auch vielen Fans seine Flosse und lachte auch mal herzlich. Während des Gigs sah man ihn aber nie schmunzeln, das hätte auch nicht zu der gruselig-genialen Musik gepasst.

Mit zwei Stücken des alten Albums "Blush Music" und zwar "Snake Bite" und "My Russia" hatte er sein Konzert begonnen und war gleich in seinem Element.
David Eugene spielt bei jedem Stück Gitarre (und zwar Modelle von Gretsch und nicht Gibson wie ich damals fälschlicherweise geschrieben hatte), manchmal aber auch ein altes Schifferklavier und Mandoline. Seine drei Mitstreiter unterstützen ihn an Gitarre, Bass und Schlagzeug. War Woven Hand anfangs bloß ein Soloprojekt von Herrn Edwards mit wechselnden Studiomusikern, ist inzwischen eine feste Band herangewachsen. Im Mittelpunkt steht und stand auch heute aber natürlich der Ex-Horsepower Frontmann selbst. Besonders beeindruckend war sein Akkordeonspiel zu beobachten und all die Grimassen, die er dabei schnitt. Der Mann lebt seine Musik und scheint sich während der Auftritte völlig von der Außenwelt abzukapseln. Für Fans der ersten Stunde gab es sogar recht früh ein Schmankerl, denn mit "Harms Away" wurde eines von zwei 16-Horsepower Liedern gespielt. Mein persönliches Highlight war aber "Whistling Girl", das der Mann aus Colorado auf seiner hübschen Mandoline spielte. Bei dem Refrain "It falls to us from his holy hill" könnte ich regelmäßig niedernknien, so wunderschön ist er. Die Musik von Woven Hand umgibt gerade bei diesem Stück eine unglaubliche Mystik, aber auch sein Freiheitsdrang und seine Eigenständigkeit sind förmlich spürbar. Hervorheben möchte ich auch "White Bird", ein Lied von "Blush Music". Treibend und irgendwie tribalisch, hat es eine unglaubliche Anziehungskraft. An dem Titel scheint Wüstensand zu kleben, so staubtrocken ist es. Genau richtig für mich also, klebrig-süßlichen Pop überlasse ich gerne anderen. Insofern schade, daß nach ziemlich exakt einer Stunde mit "Your Russia" schon wieder Schluß zu sein schien. Aber es gab noch einen nicht zu verachtenden Nachschlag. Neben drei hervorragenden Zugaben von Mosaic (ausgezeichnet: "Winter Shaker") erfreute uns der Trapper nämlich mit dem Klassiker "American Wheeze" von 16- Horsepower. Und wieder kam das imposante Schifferklavier zum Einsatz, einfach genial!

David Eugene Edwards ist für mich einer der interessantesten Musiker überhaupt, falls ihr ihn noch nicht kennt, solltet ihr das dringend nachholen. Genau wie der junge Franzose neben mir im Saale: "ich kenne Woven Hand erst seit einem Monat, aber seitdem höre ich nichts anderes mehr".

Setlist Woven Hand, Paris, Divan Du Monde:

01: Snake Bite
02: My Russia
03: Tin Finger
04: Harms Way (16 Horsepower)
05: Aeolian Harp
06: The Speaking Hands
07: Whistling Girl
08: White Bird
09: Slota Prow
10: Your Russia

11: Winter Shaker
12: American Wheeze (16 Horsepower)
13: Deerskin Doll
14: Dirty Blue

Anmerkung: Videos angucken lohnt sich, vor allem Whistling Girl!

Hier noch zwei Videos in brauchbarer Qualität vom Auftritt im Pariser Divan Du Monde im Juni:

- Video 1
- Video 2

Hinweis: die großarigen Fotos stammen von Robert Gil, Seine Webseite lautet photosconcerts.com

- sehr gute Pics von Wovenhand im Divan Du Monde gibt es auch hier (Photo Rod/ Le-hibOO.com)



Donnerstag, 29. November 2007

The National, Köln, 27.11.07

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Konzert: The National
Ort: Prime Club Köln
Datum: 27.11.2007
Zuschauer: voll


The National habe ich erst im Frühjahr mit ihrem dritten Album “Boxer” kennengelernt. Etwas verspätet also, denn vor “Boxer” haben sie schon drei Alben veröffentlicht. Einige Zeit dauerte es auch, bis sich mir das Album in voller Schönheit erschlossen hat. Nun ist es eines der Alben des Jahres.


Auf den Weg in den Prime Club zuckeln die Weakerthans leise in mein Ohr. Eine Band, die im weitesten Sinne gut zu The National passt. Die guten alten Swell wäre eine andere Band. Die fiel mir spontan während des Konzertes ein. Und ich glaube, der Vergleich passt ganz gut. Denn Swell sind trotz der musikalischen Andersartigkeit The National sehr ähnlich. Der Zug ist fast leer und ich schwanke noch wegen der Rückfahrt. 23.17 Uhr oder 0.17 Uhr ist die Frage. Aber morgen ist ja nur arbeiten.

Um viertel nach zehn betraten The National angenehm unaufgeregt die Bühne. Von Beginn an wirkte alles und alle ruhig und ausgeglichen. Auffallend waren die langen Ruhepausen zwischen den einzelnen Stücken. So als ob die volle Konzentration dem nächsten Song galt. Sowohl bei der Band als auch beim Pubilikum. Von Anfang an war klar, das es ein guter Konzertabend wird. Der Prime Club, angenehm gefüllt aber wohl nicht ausverkauft, war von Anfang von der Musik gefangen. Die, die es nicht waren, wurden spätestens mit “Mistaken for strangers”, das als 2. oder 3. Stück gespielt wurde, ein The National Opfer. Das Set war klug angelegt und je später der Abend wurde desto “rockiger” wurden The National und mutierten vollends zur Indie-Rock Band. Die Bühnenpräsenz der New Yorker Band ist enorm. Ohne viel zu tun entwickelten sie eine Atmosphäre, der man nicht entkommen möchte, und die nicht viele Musiker oder Bands hinbekommen. Die staubtrockenen und mit speziellem Humor gespickten Ansagen des Sängers passten da voll ins Bild. (”Ich rechne es dir hoch an, dass du dir dieses Lied wünscht. Unter den Publikumswünschen ist es mein Favorit. Aber wir spielen ihn nicht. Warum, weiss ich eigentlich nicht so genau, denn es ist ein gutes Lied. Und das du dir dieses wünschst, spricht für dich.” So der Kommentar des Sängers Matt Berninger auf einen Zuruf aus dem Publikum.) Hier präsentierte sich ein Band, die den Eindruck hinterliess, dass sie nichts beeindrucken kann und die einfach die Ruhe weg hat. Die einzelnen Songs entwickeln live gespielt ihre eigene Dramatik und Dynamik. Anders als auf Platte, wo sich die ganze Klasse erst nach mehrmaligem Hören erschliesst und vier bis fünf Durchläufe nötig sind, bis es Klick macht und die Sperrigkeit und Dichtheit versanftet und verläuft. Da wurde ich angenehm überrascht. Denn ich war mir nicht sicher, ob es nicht ein anstrengendes Konzert werden würde. So eins mit zuviel Kopflastigkeit. Wurde es dann aber nicht. Stattdessen wurde es eine kurzweilige Veranstaltung, die richtig Spass machte. Jetzt kann ich auch verstehen, warum immer nur gutes über die Livequalitäten von The National berichtet wird.

Das Konzert dauerte gute anderthalb Stunden, in denen The National einen schönen Querschnitt aus all ihren Alben präsentierte. Höhepunkte waren das schon erwähnte “Mistaken for strangers”, “Fake empire” , “Abel” und der gesamte Zugabenblock. Das Bühnenbild bestand aus einem Lamettavorhang. Naja, ist ja bald Weihnachten.

Ich habe den Zug um 0.17 Uhr genommen. Heute ist ja nur arbeiten.

Uneingeschränkte Live-Empfehlung!!

von Frank



Fiery Furnaces & Franz Kasper, Köln, 21.11.07

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Konzert: Fiery Furnaces & Franz Kasper

Ort: Gebäude 9 Köln
Datum: 21.11.2007
Zuschauer: ca. 150


Ich bin so blöd. Das gibt’s nicht. Da will ich an sich nur Gitarre spielen und dann…ist der Gurt nicht richtig fest und sie fällt mir runter. Jetzt hat sie 2 Löcher. Oder eher ein Schallloch und einen knapp 40cm langen Riss am Übergang von Boden zu Zarge. Ahhh. Das ist doch meine aller erste Gitarre und die ist so hübsch und klingt sogar ziemlich schön.. Warum bin aber auch immer ich so ungeschickt?! Jetzt heißt’s also Geld auftreiben und beim City Musik in Bonn reparieren lassen. Handelt sich also nur noch um Monate, da ich mit Geld ja auch geschickt umgehen kann (wie heute ist erst der 3. des Monats? Aber ich bin doch schon fast pleite!?!) Ach man, das gute Stück. Na ja, zur Zeit bin ich ja eh auf dem „wenn ich Zeit habe, bau ich mir selbst mal ’ne akustische Gitarre“ Trip. Mal schauen was draus wird.

Ich war mal wieder auf einem Konzert (mal was ganz neues). Wieder beim Herrn Krönig, wie des Öfteren in der letzten Zeit. Diesmal im Gebäude 9. Wieder gab er sich die Ehre als Support-Act, der wohlbekannten Fiery Furnaces. Und er hatte seine Band dabei! Das war wirklich mal was neues, zumindest für mich. Es scheint eine Unmanier des Publikums des Gebäude 9 zu sein, zu Konzerten generell erst nach Beginn der Vorband zu erscheinen. So war der Konzertraum zu Beginn von Franz Kasper mit knapp 25 Leuten überaus spärlich besucht. Das wird wohl nur noch von Derrick Brown übertroffen (einer der bekanntesten zeitgenössischen Dichter der USA, supportete die Cold War Kids auf ihrer Mai Tour, ebenfalls im Gebäude 9 als er auftrat waren exakt 14 Leute im Publikum!). Das ist doch ’nen Unding, dadurch entgeht einem so viel gute Musik. Nun ja, ich war ja da. Und muss zugeben, wenn der werte Herr mit seiner Band auftritt ist das schon noch mal ne Nummer cooler als ’nen akustik Gig. Die Setlist war, wie das eben ist wenn man als Vorband engagiert wird, kurz aber mit alten mir unbekannten Stücken gefüllt. Sehr zu meinem Wohlwollen. „How Do I Get Close“ wurde den zwei diesmal anwesenden jungen Damen gewidmet (davon gibt’s auch nen Video). Der Auftritt war, wie es zu erwarten war, sehr gekonnt und ich muss gestehen, ich war ja schon gut neidisch als Hr Krönig da mal nen bisschen seiner Solikünste vorgeführt hat… da pack ich mir doch gleich wieder meine halbzerstörte Gitarre und üb noch nen bisschen.

Der Auftritt der Fiery Furnaces hat mich leider aus mehreren Gründen enttäuscht. Zum einem war Madame Eleanor Friedberger noch deutlich angeschlagen (laut ihrem Bruder hatten sie krankheitsbedingt einen Auftritt in Wien ohne sie absolvieren müssen, wobei ich mir nur schwer vorstellen kann wie das dann ausgesehen hat... ohne „Sängerin“) und zum Anderen sind die Furnaces live noch wirrer als auf Platte. Sie sind ja bekannt dafür nicht den üblichen „Regeln“ der populär Musik zu folgen, insbesondere nicht was Melodien angeht aber live..da war wirklich gar nichts mehr übrig davon. Zusätzlich haben sie mit Bravour alle von mir erhofften Stücke (My Dog Was Lost But Now He’s Found, Leaky Tunnel, etc) nicht gespielt. Und wie schon erwähnt fing man während dem Konzert an, sich wirklich Sorgen um die Dame zu machen, wenn sie auf den Boden gehockt mit halboffenen Augen auf die Setlist starrte. Das Kölner Publikum, was zu Beginn der Furnaces ca 150 Mann stark (also nicht einmal halb ausverkauft) vertreten war, war wie des Öfteren in letzter Zeit (ja, ich liebe Nebensätze!) wenig tanzfreudig. Und in den Gesichtern machte sich größtenteils Unmut über die auf der Bühne abgehaltene „Show“ breit. Ich wünsche Fräulein Friedberger und ihrem Bruder erst einmal eine gute Besserung, etwas melodiereichere Auftritte und etwas weniger Bass (der war auf dem Gig nämlich allumwebend und hat so ziemlich 2/3 aller Instrumente geschluckt).

Und nun eine Bitte oder eher eine Empfehlung abseits des Berichts: Kramt eure alte Nico Platte „Chelsea Girl“ mit dem Track „These Days“ wieder raus. Die ist nämlich hervorragend, hab ich gestern wieder festgestellt.

von Magali



Caribou, Paris, 28.11.07

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Konzert: Caribou

Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 28.11.2007
Zuschauer: ca.400


In einer Weltstadt wie Paris kann es vorkommen, daß am gleichen Tag mehrere interessante Konzerte stattfinden. Besonders am 4.02.2008 wird das wieder der Fall sein, wenn Morrissey im Olympia und die Babyshambles im Zénith auftreten werden.

Aber auch heute war wieder so einiges geboten: Dominique A einer der besten französischen Chansoniers spielte im Centre Beaubourg,, die "neue Feist" Yael Naim in der Boule Noire und vor allem Les Rita Mitsouko im längst ausverkauften Olympia. Als Vorgruppe waren sensationellerweise die Magic Numbers vorgesehen. Die knuffigen Engländer hätten sicherlich liebend gern für das französische Kultduo eröffnet, wenn, ja wenn Fred Chichin nicht...am gleichen Tage verstorben wäre! Der hagere Gitarrist von Les Rita Mitsouko mußte schon in den letzten Wochen einige Konzerte krankheitsbedingt absagen und schon das Konzert vom 13. November, ebenfalls im Olympia bestritt Catherine Ringer alleine. Traurig, traurig. Mein herzliches Beileid.

Diese triste Neuigkeit erreichte mich, als ich mich schon für Caribou in der Flèche d'or entschieden hatte. Ein Todesfall im November, was kann es deprimierenderes geben? Da mußten glücklichmachende Farben her und die lieferte Dan "Caribou" Snaith reichlich. Auf die Videoleinwand hinter der vierköpfigen Band wurden nämlich allerhand halluzinatorische Quadrate, Kreise, Sterne und Striche in knalligen Tönen produziert. Wenn man sich längere Zeit auf diese rotierenden Figuren konzentrierte, konnte man all das Schlechte dieser Welt ausblenden und sich mittels Sebsthypnose in eine schönere Welt beamen. Das war wie Flower-Power für die jetzige Generation, bloß mit 40 Jahren Verspätung und auch musikalisch anders, wenngleich das peacige Element durchaus an Bands wie Love, die Beach Boys, oder auch die regelmäßig unterschätzten The Zombies erinnerte. Ansonsten kam man sich aber wie ein Zaungast vor, der einen wirren Mathematiker, der Dan Snaith nun einmal ist, beim Ausleben seiner experimentellen Phantasien beobachtet. Gleich zu Beginn wurde man Zeuge des abgefahrenen Doppelschlagzeuges, welches von Snaith und einem Bandmitglied mit besonders schnellen Fingern parallel gespielt wurde. Mit einem gewaltigen Schlag hatten die beiden Drummer das Set eröffnet und mich dazu gezwungen, schleunigst meine Ohrenstöpsel in die Gehörgänge zu propfen. Ohne diese "Kondome für Ohren" wären die satten und unglaublich harten Hiebe der Heißsporne kaum zu ertragen gewesen. Leider hörte ich aber den ohnehin schon arg hingehauchten Gesang nicht wirklich, wenn denn überhaupt gesungen wurde. Manchmal lief das Ganze nämlich auch rein akustisch ab, was aber zu keiner Langweile führte, weil vor allem das Schlagzeugspiel unglaublich schnell und auch optisch sehenswert war. Die beiden Musiker im Hintergrund, ein Bassist den ich zunächst für ein Mädchen hielt und ein diskreter Gitarrist, waren hingegen eher unauffällig. Das doppelte Schlagzeug kam aber nicht bei jedem Lied zum Einsatz, manchmal sprang das Zahlengenie auch auf und schnappte sich seine Gitarre. Nicht nur in diesen Momenten wurden dann Assoziationen zu Battles, oder auch Animal Collective wach. Bei Caribou ist aber alles weniger düster als bei zitierten Bands und auf psychedelische Weise poppiger. Ohnehin ist der Stil schwer zu beschreiben, man findet hier Elemente des Krautrocks, der Ambientmusik, des Elektropops, des Math-Rocks, aber auch des Freak-Folks vor. Vor allem dann, wenn Dan in seine kleine Flöte hineinbläst, ist eine Band wie Espers nicht sehr weit.

Zu den gespielten Liedern kann ich leider nicht sehr viele Aussagen machen, "Melody Day" und "She's The One" von Andorra kamen natürlich und auch andere Titel des Neulings, ob allerdings Stücke von den drei Vorgängeralben Teil des Sets waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Spielzeit war mit gut einer Stunde recht knapp bemessen. Für das erstmals fällige Eintrittsgeld (die Flèche d'or ist normalereise gratis) von 11 € kam man aber immerhin in den Genuß einer Zugabe, die frenetisch gefeiert wurde. Caribou haben mich neugierig gemacht und ich werde in den nächsten Monaten weiterverfolgen, wie sich ihre Titel bei mir persönlich entwickeln. Live ist das auf jeden Fall sehens-und hörenswert!

Video: Melody Day live

Konzerttermine von Caribou:

29.11.07: Brüssel
30.11.07: Luxembourg
01.12.07: Utrecht
02.12.07: Schorndorf
04.12.07: St. Gallen
05.12.07: Nürnberg
06.12.07: Wien
07.12.07: Berlin (Lido)
08.12.07: Hamburg (Übel und Gefährlich)
09.12. 07 - 14.12.07: diverse Konzerte in Skandinavien

Die super Bilder stammen von meiner ebenfalls bloggenden amerikanischen Flickr-Freundin Kirstie Shanley aka Kirstiecat.

Thank you very much much, Kirstie, you are great!



Mittwoch, 28. November 2007

Beirut, Paris, 27.11.07

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Konzert: Beirut

Ort: Studios von Canal + bei Paris ("Album de la semaine")
Datum: 27.11.2007
Zuschauer: bis auf en letzten Platz besetzt
Wo war Oliver?: zu Hause!



Es gibt Leute, die einfach mehr Power als ich haben. Die Französin Marguerite z.B. Arbeitet den ganzen Tag sehr hart, läßt aber abends nie ein Konzert aus. Bravo für diese Ausdauer! Weil sie weiß, daß ich Beirut mag und Setlisten sammele, hat sie mir diese zugeschickt. Merci!

Setlist Beirut, Canal +, Album de la semaine:

01: Nantes
02: Scenic World
03: A Sunday Smile
04: Mt. Wroclai
05: Forks And Knives (La Fête)
06: In The Mausoleum
07: The Penalty

08: Postcards From Italy (auf Wunsch von Marguerite)

Kurios: Drei Titel wurden wohl 2x gespielt!

Setlist Beirut, Black Session, France Inter, Paris (merci à Stéphane!)

01: Nantes
02: Brandenburg
03: A Sunday Smile
04: Scenic World
05: Mount Wroclai
06: In The Mausoleum
07: Forks and Knives (La fête)
08: Elephant Gun
09: The Penalty
10: After The Curtain
11: Le Moribond (Brel Cover)
12: Postcards From Italy
13: Cherbourg
14: The Gulag Orkestar

15: Siki Siki Baba
16: Halleluyah



Dienstag, 27. November 2007

Two Gallants, Paris, 27.11.07

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Konzert: Two Gallants

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 27.11.2007
Zuschauer: reichlich


"Lern was Ordentliches, damit aus Dir was wird!" Wer hat diese Floskel nicht in (un)-schöner Regelmäßigkeit von seinen Eltern zu hören bekommen?

Adam Stephens und Tyson Vogel von den Two Gallants scheinen da mehr Glück gehabt zu haben. Ihre Eltern waren
heute abend in der Pariser Maroquinerie nämlich sogar im Publikum und dies nicht zum ersten Mal. "Vielen Dank an unsere Eltern, die zum fünften Gig in Folge dabei sind und uns bei dem, was wir machen, sehr unterstützen!". "Allerdings geht es für sie anschließend wieder zurück nach San Francisco". Sänger, Gitarrist und Mundharmonika-Spieler Adam war ziemlich gerührt, als er mit diesen Worten circa. in der Mitte des Konzerts seinen Erzeugern dankte. Muß ja auch ein schönes Gefühl sein, wenn Mami und Papi einem beim Ausüben seiner Leidenschaft zusehen. Toll, wenn Eltern nicht nur Stolz sind, wenn der Filius Anwalt, oder Arzt geworden ist.

Aber wie kann man auch nicht davon überzeugt sein, daß sich die Kinder für den richtigen Weg entschieden haben,
wenn man sieht, wie Stephens und Vogel für ihre Musik leben, ja geradezu in ihr aufgehen. Kaum eine andere Band legt soviel Herzblut, Inbrunst und Engagement an den Tag wie das teuflische Duo aus Kalifornien. Wenn der hagere Adam in sein Mikro krächzt und keift, daß ihm die Adern anschwellen, bleibt kein Auge trocken. Das Gleiche gilt für Tyson. Ich kenne keinen Drummer, der sich an seinem Instrument so verausgabt. Mit seinen langen Haaren betreibt er regelrechtes Headbanging. Mit dem ganzen Körper wippt er auf und ab, hämmert, klöppelt, oder streichelt seine Drums, ganz wie er es braucht. Das allein ist schon das Kommen wert, aber es gibt natürlich auch noch die oft rohen und ungehobelten Lieder zu hören, die von den Two Gallants mit einem Einsatz gespielt werden, als hinge davon ihr Leben ab. Manchmal melancholisch schön, manchmal aber auch hart und punkig, immer aber versehen mit herrlich zynischen und desillusionierten Texten. "I killed my wife today, dropped her body in the frisco bay, i had no chance it was the only way" ("Steady Rollin"), " I put you in my collection of regrets" ("Las Cruces Jail"), oder auch "who is gonna save me from myself?" ("Crow Jane"), wer textet schon süß-saurer? Und wer ist schon fleißiger als das amerikanische Duo? Vor ein paar Monaten erst, ist ihre wunderschöne, in Moll gehaltene EP "The Scenery Of Farewell" erschienen, da gibt es mit dem neuen Longplayer , der schlicht nach der Band benannt ist, schon wieder Nachschub. Von diesem stammten auch die beiden frühgespielten Stücke "Despite What You've Been Told" und "Reflections Of The Marionette", ansonsten aber...nichts! Erstaunlich, aber wahrscheinlich wollten sie nicht bloß Neues herunterleiern, sondern den Fans eine kunterbunte Mischung aus dem ersten Album "The Throes", dem Nachfolger "What The Toll Tells", der erwähnten EP und dem neuesten Output bieten. Zwei meiner Favoriten wurden immerhin hintereinander gespielt und zwar das traumhafte "Seems Like Home To Me", bei dem selbst der härteste Cowboy eine Träne verdrücken könnte und gleich im Anschluß das nicht minder wundervolle "Steady Rollin", bei dem neben den oben zitierten Textzeilen auch die Stelle "i'm waltzing with the holy ghost" sehr amüsant ist. Etwas verwundert war ich allerdings, daß sie später von der klaifornischen Band Happy Campers ein Lied coverten, obwohl sie doch so viel eigenen, spielenswerten Stoff hatten. Das Cover war zwar durchaus gelungen, ich hätte mir allerdings lieber "Threnody" gewünscht oder auch alternativ "The Hand That Held Me Down" bzw. "The Prodigal Son". All diese Perlen kamen aber nicht mehr, was wirklich sehr schade war. Zumindest der Folk-Punk Klassiker "Las Cruces Jail" (mein Gott, die Kuttner!) wurde dem Publikum aber nicht vorenthalten und so tanzten und sangen dann auch Franzosen, zahlreiche Amerikaner und auch Deutsche (neben mir standen noch zwei andere "Germans") zu dem bekanntesten Song der Band. Es sollte vorerst der Letzte sein. Aber wirklich nur vorerst. Denn entgegen der Aussage von Adam Stephens "we have almost finished yet", die nach circa 50 Minuten Spielzeit kam, ging es noch ziemlich lange weiter. Am Ende hatte das Duo über 100 (!) Minuten mit höchstem Einsatz gespielt. Vorangegangen war eine erste Zugabe, "Waves Of Grain", die sich auf für die Gruppe typische Weise über 10 Minuten hingezogen hatte, ein anschließendes Verschwinden der Burschen und die zweite Widerkehr mit dem mir bisher nicht bekannten "Damnatio Memoriae". Ein gutes Stück zweifelsohne, aber "Linger On" wäre mir lieber gewesen. Mein lauthals herausposaunter Wunsch, diesen Schmachtfetzen doch bitte zu spielen, blieb jedenfalls unerwidert. Mit " Crow Jane" vom ersten Album ("The Throes") wurde dann aber noch ein würdiger Abschlußtitel ausgewählt. Adam hatte sich wieder einmal die Seele aus dem Leib geschrien und Tyson's Arm war sicherlich weichgeprügelt. Sehr schön, daß ihre Eltern das unterstützen...

Setlist Two Gallants, Paris, La Maroquinerie:

01: Two Days Short Tomorrow
02: Despite What You've Been Told
03: Reflections Of The Marionette
04: Instrumental
05: Liza Jane (B-Seite)
06: Long Summer Day
07: Seems Like Home To Me, übergehend in
08: Steady Rollin'
09: Drive My Car
10: Happy Campers Cover11: Instrumentalintro übergehend in
12: Las Cruces Jail

13: Waves Of Grain (Z)

14: Langes Intro, übergehend in:
15: Damnatio Memoriae (Daytrotter Session 2006) (Z)
16: Crow Jane (Z)

Photos mit freundlicher Genehmigung von Robert Gil, der auf seiner Webseite photosconcerts inzwischen Bilder von über 2000 (!) Konzerten hat. Merci Robert!



Montag, 26. November 2007

The New Pornographers, Köln, 25.11.07

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Konzert: The New Pornographers

Ort: Gebäude 9 Köln
Datum: 25.11.2007
Zuschauer: viel zu wenige, vielleicht 100


Irgendwie hatte ich mir das Gebäude 9 mal wieder voller vorgestellt, schließlich sollte mit den New Pornographers eine sehr namhafte Band in Köln auftreten. Um halb neun (in der Hoffnung, die Kanadier würden dann um neun auftreten), war zwar die Bar im Gebäude 9 schon ganz gut gefüllt, dabei blieb es dann aber auch erst einmal.

Die Hoffnung auf frühes Insbettgehen hatte sich dann erledigt, als wir erfuhren, daß eine Vorgruppe Air France auftreten sollte. Air France stellten sich dann als Er France aus Düsseldorf heraus und begannen um kurz nach neun mit einer irre langen Setlist. Bevor sie anfingen, standen auf der Bühne schon drei Keyboards, zig Gitarren und auf dem Boden lagen zwei Melodicas (rot und hellblau,
traumhaft!). Er France (ich hasse eigentlich solche Wortwitze) bestehen aus Sängerin Isabelle Frommer, die ein Kleid in Jugendherbergs-Bettwäsche Optik trug (rot-weiß kariert), Bassist Daniel Decker (der ein Hemd aus dem gleichen Stoff anhatte, solches Stoffteilen ist vermutlich CO2 freundlich), Gitarrist André Tebbe und einem Schlagzeuger, dessen Namen ich nicht kenne (laut myspace haben sie zwei, da war aber nur einer, ganz sicher).

Wie genau die Musik war, kann ich nicht sagen. Isabelles Stimme war zu leise, daher fiel es mir schwer, den Songstrukturen zu folgen. Dazu kam, daß sie nur dann sang, wenn sie nicht Keyboard spielte (und umgekehrt). Wenn sie dann also sang, hatte sie das Problem, das viele Sänger ohne Instrument haben, sie machte alberne Sachen mit ihren Armen, meist Nordic-Walking-Trockenübungen. Das hat mich so sehr abgelenkt, daß ich mich der Musik nicht richtig widmen konnte. Ob Isabelle Französin oder Deutsche ist, ist mir nicht klargeworden. Ihre Ansagen hatten anfangs einen Akzent (die Ansagen waren Geschichten der Art Kleiner Prinz light), der dann aber nach und nach wegfiel. Der war also vermutlich gefaked. Egal, Isabelle zappelte sich einen ab, die Musik klang eigentlich recht gut, Gitarrist und Bassist posten auch viel rum und so waren die gut 50 Minuten ihres Auftritts entschieden zu lang.

Setlist Er France Köln:

01: Spiel mir Deine Musik
02: Alles ist gut
03: Never hiding
04: Man in black
05: M. Canon
06: Puppeteer
07: Your faustian side
08: Fais le pari
09: The man and the wolf
10: I came to get my due
11: Ein Käfig voller Narren

Nach kleinem Umbau (zwei der Keyboards, die Gitarren und - viel wichtiger - die
Melodicas gehörten schon zu den New Pornographers) trat die Band aus Vancouver dann um kurz vor halb elf auf. Das Gebäude 9 war bis dahin besser gefüllt, es war aber überall sehr viel Platz. Da an den Wänden überall Plakate hingen, daß die Band "leider" kein Rauchen wünsche, war die Luft auch einmal wohltuend gut, obwohl natürlich trotzdem geraucht wurde.

Die New Pornographers sind ja eine der Bands, bei denen man nicht weiß, wer da so auf der Bühne stehen wird (wie Broken Social Scene z.B.). Ich hatte vorher schon gelesen, daß Sängerin Neko Case nicht dabei sein sollte. Den Part der weibliche Stimme
übernahm an ihrer Stelle Kathryn Calder. Ich habe zwar Neko Case nie live gesehen, kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie besser sein könnte als ihr "Ersatz", denn Kathryn war schlicht fabelhaft!

Die Band, die in Köln auftrat, bestand (wohl) aus Sänger und Gitarrist Carl Newman, John Collins (Bass und Gitarre), Todd Fancey (Gitarre), Kurt Dahle (Schlagzeug), Blaine Thurier (Keyboard, Mundharmonica und Melodica) und eben Kathryn Calder (Gesang, Keyboard und Akkordeon).

Das absolut wundervolle Programm begann mit einem meiner Lieblinge, nämlich "
All the things that go to make heaven and earth" vom neuen Album "Challengers." Natürlich lag auch der Schwerpunkt des Konzerts auf Liedern der im August erschienenen Platte.

Mit uns redete Carl nicht furchtbar viel, er schien fast ein wenig schüchtern (obwohl er überhaupt nicht so aussieht). Die kleinen Danksagungen übernahm anfangs alle die Keyboarderin. Untereinander redeten die Musiker aus Vancouver aber viel - und sie schienen dabei außerordentlich gute Laune zu haben. Am spaßigsten wirkte dabei der sehr aufgekratzte Schlagzeuger, der auch immer wieder auffiel, weil der die hohen Background Parts sang und dabei ein herrliches Gesicht machte. Er hatte aber auch andere wichtige Aufgaben: bei "Adventures in solitude" hüpfte er plötzlich auf, ging von der Bühne - und kam mit einer Handvoll Bier wieder zurück.

Natürlich liebe ich auch "Spirit of giving" sehr, wird da schließlich St. Christopher erwähnt. Das Stück begleitete Kathryn mit einem Akkordeon. Aber auch ohne Akkordeon war der Sound der Stücke fabelhaft. Die
Stimmen der beiden Sänger passen traumhaft zu einander. Vieles war ganz einfach so, wie die Stars im Gebäude 9 hätten sein können, hätten sie die Hände von dem gelassen, was sie da verführt hatte.

"The bleeding heart show" scheint der
Standard-Abschlußsong zu sein. Kathryn jedenfalls winkte, verabschiedete sich und verließ die Bühne. Allerdings war sie damit alleine, denn Carl erklärte uns, für einen Fernseh- oder Radioauftritt in Frankreich hätten sie ein Lied einstudiert ("they forced us to play it") und legte einen Zettel mit dem Text auf den Boden. Kathryn kam lachend zurück und entschuldigte sich: "It thought it was our last song!"

Das Zusatzlied war dann vielleicht eine Probe unter Wettkampfbedingungen. Es war das ELO-Cover "Don't bring me down", Stadionmusik der Sorte, die ich nicht mag. Das Cover war ziemlich erträglich, natürlich besser als das Original - und der Abschluß des Konzerts. Zumindest der vorläufige, denn natürlich gab es Zugaben. Die Band wäre niemals ohne Zugaben durchgekommen, denn das Publikum war von Anfang an in bester Stimmung. Im Saal war ja leider reichlich Platz, das hatte aber den Vorteil, daß die 96, die bei der Vorgruppe noch ruhig rumstanden, dann auch tanzten. Isabelle von Er France stand dann auch im Publikum, vermutlich um zu sehen, was man als singende Keyboarderin so mit den Händen machen kann, wenn man kein Nordic Walking mag...

Ich hatte wirklich nicht gedacht, daß mich vom Konzert-Jahresrestprogramm noch etwas so sehr begeistern kann. Aber es hat - und wie!

Setlist The New Pornographers Köln:

01: All the things that go to make heaven and earth
02: Use it
03: Electric version
04: Jackie, dressed in Cobras
05: All the old showstoppers
06: Challengers
07: The laws have changed
08: My rights versus yours
09: Spirit of giving
10: Mass romantic
11: Adventures in solitude
12: Testament to youth in verse
13: Mutiny, I promise you
14: Sing me Spanish techno
15: The bleeding heart show
16: Don't bring me down (ELO Cover)

17: Twin Cinema (Z)
18: The slow descent into alcoholism (Z)

Links:

- The New Pornographers am 30.09.07 in Paris
- mehr Fotos



Sonntag, 25. November 2007

Interpol, Brüssel, 23.11.07

10 Kommentare

Konzert: Interpol (& Blonde Redhead)

Ort: Forest National, Brüssel
Datum: 23.11.2007
Zuschauer: ausverkauft und sehr voll (gut 7.000.)


"Für welche Band bist Du gekommen?", fragt mich ein netter flämischer Kerl, der neben mir im riesigen Forest National auf einem roten Stühlchen sitzt. Gerade spielt noch das New Yorker Trio Blonde Redhead, das mein Nachbar gar nicht kennt. "Für Interpol", antworte ich, ohne lange überlegen zu müssen, obwohl ich für Blonde Redhead durchaus auch etwas übrig habe. "Ich wäre nur lieber da unten", fahre ich fort und zeige mit dem Finger auf mein Wunschplätzchen gleich vor dem Keyboard von Kazu Makino. Ein Stehplatz wohlgemerkt und bezeichneter Ort ist von hier oben sauweit weg, man könnte ein Fernglas gut gebrauchen. Dass die Zwillingsbrüder Pace sich zum verwechseln ähnlich sehen, dürfte meinem neuen belgischen Freund deshalb auch gar nicht aufgefallen sein. Schlimmer als die Distanz zur Bühne wiegt aber die Tatsache, daß wir sitzen. Und das bei einem Rockkonzert! Wie im Kino! Dabei wollte ich doch erst am Samstag ins Kino gehen! Habe ich dann auch gemacht, um mir den Streifen von Löwen und Lämmern von und mit Robert Reford anzusehen. Im englischen Original heißt er Lions For Lambs. Aus amerikanischer Sicht politisch hochbrisant, weil der sog. Krieg gegen den Terror (Afghanistan, Irak) sehr kritisch beleuchtet wird, von einem europäischen Standpunkt aus aber nur eine normale Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Einmarsch in den Irak überhaupt Sinn gemacht hat und Aussicht auf Erfolg hat. Diese Diskussion hat man in Deutschland und Frankreich ja bereits seit fünf Jahren geführt und sich gegen den Krieg entschieden. Wenn man den Film so sieht, kann man aber den Eindruck gewinnen, Intellektuelle in den USA (stellvertretend hierfür Robert Redford selbst) würden sich erst jetzt ernsthafte Gedanken darüber machen, ob man richtig gehandelt hat. Vielleicht will Redford mit diesem Hollywood-Streifen, der in drei Geschichten aufgeteilt ist, die zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten spielen, den ungebildeten und erzkonservativen Amerikaner aus der tiefsten Provinz erreichen und zum Nachdenken bringen? Wie auch immer, Hauptproblem für den Regisseur und Schauspieler R.R. wird bei der Realisierung des Filmes - der vor allem wegen des hervorragenden Wortgefechts zwischen der kritischen Journalistin (Meryl Streep) und dem smarten, ambitionierten aber aalglatten Senator (Tom Cruise) sehenswert ist - der Spagat zwischen Gesellschaftskritik und Massentauglichkeit gewesen sein.

Es stellt sich die Frage, ob man einen sensiblen, nachdenklichen Film machen und gleichzeitig ein großes Publikum ansprechen kann. Allgemeiner formuliert: kann man in der Kunst überhaupt gleichzeitig die Bedürfnisse eines intellektuellen und gut informierten Publikums, aber auch einer rein vergnügungsüchtigen Masse befriedigen? Diese Thematik beschäftigte mich auch während und nach des Interpol-Konzertes. Ist eine Band, die 7.000 Leute in eine ziemlich unschmucke Mehrzweckhalle lockt, überhaupt noch Indie? Interpol also der reine Mainstream? Gemach, gemach...

Setlist Blonde Redhead Brüssel:

01: Heroin
02: SW
03: The dress
04: Falling man
05: Misery is a butterfly
06: Spring and by summer fall
07: Dr. Strangeluv
08: 23


"Sind Interpol nicht vor kurzem auch in Deutschland aufgetreten?", will der nette Flame wissen, nachdem Blonde Redhead mit artigem Applaus verabschiedet worden sind. "Doch, doch, sind sie", murmele ich, "erst kürzlich in Köln". "Aber ich habe sie vorgestern in Paris gesehen, wo ich auch lebe." Mein Belgier ist etwas verdutzt, ich verwirre ihn wohl etwas. "Sind die denn in Deutschland groß", setzt er nach. "Da bin etwas überfragt, mein Freund Christoph berichtete kürzlich von einem lediglich halbvollen Palladium, aber ein Kommentator auf unserem Blog sagte, daß sich maximal noch 50 Karten auf dem freien Markt befunden hätten." Wie kann ich meinem Sitznachbarn bloß klarmachen, daß ich nur "vom Hörensagen" weiß, wie es um Interpol in Deutschland steht, da ich nun einmal in Frankreich lebe? Egal! "In Belgien sind sie eigentlich nicht sehr bekannt", erfahre ich noch und bevor ich mich lange wundern kann, wie es dann möglich ist, daß sich auf den Stehplätzen vor der Bühne ein Kopf an den anderen reiht, so daß dieser Bereich wegen Überfüllung abgesperrt wurde (deshalb sitze ich ja jetzt auch hier oben!) , geht es endlich los.

Mit "Pioneer To The Falls" hatte ich gerechnet, schließlich wurde damit noch jedes Interpol-Konzert, was wir von meinzuhausemeinblog verfolgt haben, eröffnet. Erste Regungen im Publikum sind bei der Textstelle "I felt you so much today", zu vernehmen. Auch das sich nahtlose anschließende "Obstacle 1" wurde oft schon derartig früh abgefeuert. Die Leute klatschen zwar hierzu kräftig in die Hände, die Köpfe, die ich von hier oben wunderbar überblicken kann, bewegen sich aber nicht großartig. Sind Belgier etwa schüchtern? An Paul Banks und seinen Mannen liegt es jedenfalls nicht. Der Sänger ist heute nämlich ganz glänzend aufgelegt. Seine unglaubliche Stimme ist fester und durchdringender denn je, so gut habe ich ihn noch nie erlebt. Über die laute Musik, die seine Band erzeugt, singt er jedenfalls locker drüberhinweg. Wahnsinn wie er es schafft mit seinem "Nörgelorgan" die riesige Halle zu beschallen! Und über das satte und extrem harte Schlagzeugspiel von Sam Fogarino muß man erst einmal drüberhinwegspielen. "Thank you very much" bedankt sich Paul gewohnt cool und kurzangebunden. Aber soll er etwa lange Anekdoten oder gar Witzchen erzählen? Nein, würde nicht zum Stil vom Interpol passen, der ist nun einmal eher kühl und reserviert. Interpol sind nicht die Kaiser Chiefs. Aber sind sie deshalb die schlechtere Liveband? Und was heißt das überhaupt, eine gute Liveband? Mißt man das anhand von Händen, die in die Luft fliegen, der Anzahl von tanzenden Menschen, oder daran, wie viele Leute, die Texte mitsingen? Meine Interpol-Karte von Paris, die ich mangels Photos hochgeladen habe, wird von einem gewissen Superchunk diesbezüglichmit folgenden Worten kommentiert: "i was also at that show and i hate to say that Interpol is not a great live band. I also hate, when people start clapping to every goddamn beat, Interpol's music is not meant for that shit!"...

Mein belgischer Sitznachbar ist da anderer Ansicht, nachdem das fünfte Lied "The Scale" verklungen ist, meint er nur: super! und klatscht in die Hände. Ich widerspreche nicht und weise daraufhin, daß sie diesen Titel in Paris nicht gespielt haben. "Super Liveband" wiederholt er später erneut und wieder nicke ich mit dem Kopf. Manche Leute im Publikum haben allerdings Probleme, ihre Begeisterung zu zeigen. Selbst ein unglaublich schnelles, postpunkiges Lied wie "Say Hello To The Angels" verpufft irgendwie. Kaum jemand tanzt. "Das Publikum ist saulahm!", höre ich mich resigniert zu Cécile sagen. Zum Glück tauen die Belgier einige Zeit später zu einem sagenhaft dargebotenen "Slow Hands" endlich auf. Im Saale geht sprichwörtlich die Post ab. Vorher hatte mich persönlich vor allem das sphärische und wunderschöne "Hands Away " in seinen Bann gezogen. Auch mein belgischer Nachbar ist von der unglaublich festen Stimme von Herrn Banks begeistert und hebt " No I In Threesome" besonders hervor: "Beste von das Album! "Live singt der noch besser als auf CD", jubliert er. Allerdings bleibt dem Armen nach "Rest My Chemistry" fast die Spucke weg. "Ist das Konzert etwa zu Ende?", jammert er. Aber nein, bloß Carlos und Sam (und wahrscheinlich auch der Keyboarder, aber für den interesssiert sich eh keiner hier) sind mal kurz verschwunden, wahrscheinlich ein Zigarettchen rauchen. Der auch heute wieder sehr agile und leichtfüßige Gitarrist Daniel Kessler und Paul Banks machen unterdessen alleine weiter. Zu dem schlichtweg famosen "The Lighthouse" singen und spielen sie unter einer Glocke aus lilafarbenenm Licht, das die knisternde Atmosphäre unterstreicht. Minutenlang wird Spannung aufgebaut, die sich gegen Ende schließlich ekstatisch auflöst. Sam und Carlos D sind inzwischen zurückgenkommen und vor allem der Schlagzeuger scheint mehr Punch als vorher zu haben. Mit voller Wucht prügelt er von oben auf seine Drums ein. Üblicherweise spielt er meistens alles aus dem Unterarm heraus. Sein Oberkörper bleibt in diesen Situationen auch dann noch stabil, wenn er in einem Affenzahn wie ein schneller Boxer Schläge verteilt. Das ist ganz einfach irre!

Damit die Leute wieder aufgerüttelt werden, kommt nach der Ballade "Lighthouse" mit "Evil" genau der schnelle Titel, der jetzt gebraucht wird. "Rosemary" quillt es aus unzähligen Kehlen heraus. Die Stimmung ist fast so gut wie bei "Slow Hands". Aber nur fast, das Pegel schlägt geringfügig leichter aus. Das "Heinrich Maneuver" und natürlich mein Liebling "Not Even Jail" beschließen in der Folge den offiziellen Teil.

Würden sie heute "Leif Erikson" als Zugabe spielen?, war die Frage die ich mir in der Verschnaufpause stellte. Zunächst nicht, da kam nämlich erst einmal recht überraschend "NYC". Ganz nett, aber nicht mein Favorit. "Stella" ist das schon viel eher, war auch heute wieder klasse. Jetzt also "Leif Ericson"? Wieder nicht, die Aufstellung der Band mit dem Rücken zum Publikum und das anschließende lange intro kannte ich schon aus Paris. Es leitete erwartungsgemäß "PDA" ein, ein Titel, der mich am Ehesten an die ständig zitierten Joy Division erinnert. Danach bauen sich die Musiker wie Theaterschauspieler auf und lassen sich zu Recht feiern. Vor allem Drummer Sam scheint es besonderen Spaß gemacht zu haben, er brabbelt irgendetwas mit "Magnifique" in die johlende Menge. Die New Yorker hauen ab und ich rechne nicht mehr mit einer weiteren Zugabe. Die Burschen kommen aber wieder und spielen...nicht "Leif Ericson!", sondern das lediglich passable "Untitled". Das Spekatakel ist zu Ende und auch die Frage, ob man mit niveauvoller Kunst, ein Massenpublikum bedienen kann, ist geklärt. Natürlich kann man das, Interpol können das! Und eine hervorragende Live-Band sind sie auch. Wie ich das messe? - Am Gänsehautfaktor! Und der war durchgängig hoch.

Worte können nicht beschreiben, wie sehr ich diese Band liebe...

Setlist Interpol Brüssel:

01: Pioneer To The Fall
02: Obstacle 1
03: Narc
04: C'mere
05:
The Scale
06: Say Hello To The Angels
07: Hands Away
08: Mammoth
09: No I In Threesome
10: Slow Hands
11: Rest My Chemistry
12: The Lighthouse
13: Evil
14: The Heinrich Maneuver
15: Not Even Jail

16: NYC (Z)
17: Stella Was A Diver And She Was Always Down (Z)
18: PDA (Z)

19:
Untitled (Z)





Samstag, 24. November 2007

Pelle Carlberg, Köln, 23.11.07

1 Kommentare

Konzert: Pelle Carlberg

Ort: Subway Köln
Datum: 23.11.2007
Zuschauer: knapp 100


Eigentlich hätte es ein Doppelkonzertabend sein sollen. Der Plan war, erst mit The Coral englischen Gitarrenrock und dann mit Pelle Carlberg besten schwedischen Pop zu sehen. Leider hat eine Erkrankung des Coral-Gitarristen diesen Plan durchkreuzt, es blieb aber mit dem schwedischen Singer/Songwriter ein echtes Highlight.

Um zehn, als es eigentlich losgehen sollte, war es im Subway noch nicht besonders voll. Es tröpfelten dann noch ein paar Leute ein, sodaß der untere Bereich des Clubs wenigstens ganz gut gefüllt war, als Pelle Carlberg gegen halb elf sein Konzert begann. Der ehemalige Edson-Sänger war im Mai zuletzt in Köln aufgetreten. Leider hatte ich das verpaßt, weil ich seine Platten, vor allem "In a nutshell" aber in den letzten Monaten immer wieder gehört habe, war ich sehr gespannt, wie die Musik live bei mir ankommt.

Pelle hatte zwei zusätzliche Musiker mitgebracht, einen Schlagzeuger namens Jonathan und Martin, einen Bassisten. Der Schlagzeuger hatte spätestens da bei mir gewonnen, als er ein Glockenspiel, das versteckt neben seinem Schlagzeug stand, spielte. Eigentlich kann man mich doch schnell glücklich machen. Aber dafür brauchte es auch keine Glöckchen, denn Pelle ist live genauso wundervoll wie auf Platte.

Die ersten drei Lieder stammten von seiner Debüt-LP "Everything. Now." Das erste Stück von "In a nutshell" mußte er erklären. Viele verstünden immer, es heiße "
Crying all the way to the pornshop", das Lied handele aber vom Weg zu einem Leihhaus, in dem man seine Gitarre versetzen müßte, um Geld zu bekommen (und sie später wieder zurückzukaufen). Danach folgte schon mein Liebling "Middleclass kid" (jedermanns Liebling, wie ich hinterher gehört habe). Leider wurde das, wie auch eigentlich das restliche Konzert dadurch versaut, daß hinten unten vor der Bühne unglaublich laut geredet und gegröhlt wurde. Ich habe mehr über die Qualitäten Kölns und andere interessante Sachen gehört, als von dem hervorragenden schwedischen Sänger vorne. Schade! Und eigentlich auch nicht ganz verständlich, wenn man zu einem Konzert geht. Pelle war das auch aufgefalln, er sagte, von vorne hätte er gemerkt, wie unruhig und laut der Raum vor der Bühne war.

Martin hatte dann größere Probleme mit seinem Bass. Er wollte erst weniger Bass auf dem Monitor, bekam aber zur Antwort, daß der gar nicht drauf wäre und verschwand am Anfang von "
I touched you at the sound check", um sich mit dem Soundmann zu beraten. Da das Lied schon begonnen hatte, spielte Pelle auf der Gitarre eine zweiminütige Schleife, bis Martin wieder da war...

Die beiden Mitmusiker hatten aber ihren großen Auftritt erst beim Hit "
Go to hell, Miss Rydell", denn da übernahmen sie herrliche Background-Parts. Was sie da sangen klang für mich wie die Rhythmus-Sequenzen (um es mal laienhaft auszudrücken) von Acapella-Bands. Das war unglaublich herrlich! Das Lied ist ja so schon wunderschön, den beiden bei ihrem Gesang zuzusehen, gab ihm aber einen besonderen Zusatzkick.

Mit "Clever girls..." endeten die Drei das Konzert. Ich hatte den Eindruck, Zugaben wären gar nicht vorgesehen, denn Pelle, Jonathan und Martin gingen schon zum Ausgang, diskutierten dann aber - noch im Publikum stehend - was folgen sollte. Pelle kam dann erst alleine auf die Bühne zurück und coverte "Grace Kelly" von Mika (mag ich überhaupt nicht, war so aber sehr erträglich). Anschließend kamen die beiden anderen zurück, um mit "Hit song" das letzte Lied des Abends zu spielen.

Wäre Pelle so resolut wie Anna Ternheim gewesen (die in Heidelberg eine Frau völlig zu recht rausschmeißen ließ, die dauernd reingerufen hat), wäre es ein noch schöneres Konzert gewesen. Aber auch so war es herrlich. Der Sänger aus Uppsala macht eine so wundvolle Popmusik, die natürlich immer wieder mit großen und (den gleichen) Referenzen verglichen wird (so war es auch kein Zufall, daß die ersten Lieder, die nach Ende des Konzerts liefen, "Everyday is like sunday" und "Boy with the Arab strap" waren), aber doch sehr eigen ist. Ach, herrlich!

Setlist Pelle Carlberg Subway Köln:

01: Oh no! It's happening again
02: Musikbyrån makes me wanna smoke crack
03: Bastards don't blush
04: Crying all the way to the pawnshop
05: Middleclass kid
06: I touched you at the sound check
07: I love you, you imbecile
08: Go to hell, Miss Rydell
09: Riverbank
10: 14 80 20
11: Pamplona
12: How I broke my foot and met Jesus
13: Clever girls like clever boys much more than clever boys like clever girls

14: Grace Kelly (Mika Cover) (Z)
15: Hit song (Z)


Mittwoch, 21. November 2007

Interpol, Paris, 21.11.07

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Konzert: Interpol

Ort: Le Zénith, Paris
Datum: 21.11.2007
Zuschauer: ausverkauft, denke ich
Spielzeit: 90 Minuten (Zugaben eingeschlossen)


Um zu meiner Lieblingsband zu gelangen, mußte ich so einige Strapazen auf mich nehmen. Der Streik der öffentlichen Verkehrsbetriebe geht nämlich munter weiter und hat nichts von seiner Schärfe verloren. Ich mußte deshalb sehr früh von zu Hause los, denn der Parc de la Villette, wo der große Zénith liegt, ist von mir ewig weit entfernt. Er liegt wirklich am vielzitierten "Arsch der Welt -(Stadt)".

Eingepfercht wie ein Stück Vieh stand ich dann auch dicht an dicht in der Metro zwischen schwitzenden und stinkenden Menschen, die unfreiwillig an meiner Brust hingen. Auch mir rann ob dieser menschlichen Wärme der Schweiß von der Stirne. Noch nie waren sich Pariser unterschiedlichster Herkunft so nahe wie im Moment. Jetzt verstehe ich auch endlich, wo der Ausdruck "das schweißt zusammen herkommt"...

Im Zénith angekommen, war es erstaunlicherweise auch nicht viel leerer. Trotz der frühen Uhrzeit (kurz nach acht) und der Streiks hatten sich schon so einige Leutchen eingefunden. Das Konzert schien ausverkauft zu sein, anders kann ich mir nicht erklären, daß zahlreiche Schwarzhändler auf dem weiträumigen Gelände versuchten, Karten zu verscherbeln.

Das Licht ging aus und ein Computer verzerrtes Sample erröffnete das Konzert der Vorgruppe Blonde Redhead. Das Sample stammte von dem Stück "Heroine".
"Tell me why, tell me why" schmachtete die hübsche Kazu Makino in ihr Mikro. Die langbeinige Dame japanischer Herkunft saß auf einem Stühlchen hinter ihrem Keyboard und griff beherzt in die Tasten, während die italienisch-stämmigen Pace Brüder Amedeo und Simone Gitarre und Schlagzeug beisteuerten. Zum dritten Lied des Abends "Misery Is A Butterfly" erhob sich die extrem schlanke Sängerin zum ersten Mal und tanzte lasziv und elegant. Ihr Kleid glich fast einem modern interpretierten Dirndl, bloß daß das Dekolleté nicht so üppig war, wie man das von Fußballerfrauen des FC Bayern kennt, wenn sie im Oktoberfest ihre Show abziehen. Bei "The Dress" schien man zu Beginn einen lauten Herzschlag aus den Boxen zu hören, bevor Kazu sinnlich stöhnte und wimmerte. Das glich irgendwie dem französischen Klassiker "Je t'aime, mois non plus", damals interpretiert von Jane Birkin und Serge Gainsbourg. Kein Wunder, das in New York ansässige Trio hat seine Liebe zu Serge und Jane oft bekundet. Nach der älteren Schmachtnummer "Melody" kam in der Folge nur noch neues Material, vom aktuellen Album 23. Am besten hiervon gefiel mir das treibende "Spring And By Summer Fall", das überwiegend von Amedeo gesungen wird. Kazu schnappte sich hierzu die Gitarre und rockte ihren Bandkollegen an, was durchaus erotisch knisternd war.

Setlist Blonde Redhead , Paris, Le Zénith:

01: Heroine
02: SW
03: Misery Is A Butterfly
04: The Dress
05: Melody
06: Spring And Summer By Fall
07: Dr. Strangeluv
08: 23

Nachdem das New Yorker Trio mit artigem Applaus verabschiedet worden war, mußte man sich erst einmal ein Weilchen gedulden, bis es endlich mit Interpol weiterging.
Es war schon nach 21 Uhr 30 (ungewöhnlich spät für den Zénith), als die Gladiatoren endlich einmarschierten und einige spitze Schreie junger Mädchen in meiner Nachbarschaft mein Trommelfell strapazierten. Ein sehr langes, sphärisches Intro ließ zunächst offen, womit beginnen werden würde. Dann aber vertraute Klänge, sie stammten von dem melancholischen Stück "Pioneer To The Falls". Die Stimme von Paul Banks ist glasklar und jagt mir erste Schauer über den Rücken, vor allem wenn er singt "straight into my heart". Die andere Textzeile "here comes the flood" wird visuell durch ein Video untermalt, in der eine gewaltige Welle wütet. Nach dem getragenen Auftakt geht es aber mit ungleich höherem Temp weiter. "Obstacle 1" läßt erstmals Tanzwütige in Wallung geraten. Vorne wo ich stehe, geht einigermaßen die Post ab, auf den oberen Sitzrängen regt sich jedoch nicht viel. Ich frage mich, ob die Leute von ihrem Standpunkt aus das gleiche Konzert wie ich sehen. Bei mir ist es jedenfalls gut, keine Frage. Gleich vor mir greift Daniel Kessler in die Saiten seiner Gitarre. Elegant wie immer, ist er auch heute wieder Aktivposten der Band. Er bewegt sich mit Abstand am meisten und wenn er seinen Standort wechselt, bewegt er sich wie ein Tänzer. Im Tennis würde man sagen, er hat eine gute Beinarbeit. Aus seiner schönen Gitarre scheint süßester Honig zu fließen, so melodisch sind seine Riffs. Nach "Obstacle 1" gibt es leichte Tonprobleme, die aber behoben werden können. "C'mere" donnert glasklar durch die Boxen, die Massen tanzen, das Konzert hat Fahrt aufgenommen. Bei "Pace Is The Trick" hat sich der ultracoole Bassist Carlos "D" Dengler sein erstes Zigarettchen angezündet. Es sollen etliche weitere folgen. Die Fluppe bändigt er ganz lässig mit seinen Lippen. Seine Hände braucht er zum Spielen. Er verzieht während des gesamten Auftritts keine Miene, hat aber seine Bandmitglieder mit der Raucherei angesteckt. Später gönnt sich nämlich auch Paul Banks ein Kippchen und der huttragende Drummer Sam Fogarino läßt sich auch nicht lumpen. Es qualmt unter seinem Hut. Bloß Daniel und der zusätzliche Keyboarder brauchen kein Nikotin. Daniel benötigt eh die Puste für seine kurzen Sprints über die Bühne. Zu dem postpunkigen "Say Hello To The Angels" springt er mehrfach die Stufe zu seinem Drummer hinauf und rockt ihn an. Gegen Ende nimmt Herr Kessler sogar Kontakt zum Publikum auf, indem er auf eine vor der Bühne gelagerte Box steigt und von dort aus weiterspielt. Die anderen sind hingegen gewohnt cool, aber das ist nun einmal ihr Stil. Anstatt den Hampelmann zu machen, verläßt sich Paul Banks sowieso viel lieber auf seine ins Mark und Bein gehende Stimme. Verbüffend ist, mit welcher Präzision gespielt wird, manchmal habe ich fast das Gefühl, daß Interpol fast zu gut, zu perfekt sind. Aber kann man ihnen das ernsthaft vorwerfen? Bei "The Lighthouse" werden sie zum ersten Mal deutlich langsamer. Die Ballade gefällt mir sehr und verfehlt auch live nicht seinen Effekt. Die tolle Lightshow unterstreicht hierbei sehr schön das dramatische Element. Aber Interpol können natürlich auch tanzbarer und flotter. Bester Beweis hierfür ist "Evil", das begeistert aufgenommen wird. Die Stimmung hat seinen Höhepunkt erreicht, das Stimmungspegel schlägt auch in der Folge nicht mehr höher aus. Am ehesten vielleicht noch bei dem abschließenden "Not Even Jail", meinem persönlichen Lieblingstitel der Band. Enthalten auf dem glänzenden Vorgängeralbum "Antics" wurde es interessanterweise nie als Single ausgekoppelt.

Natürlich gibt es Zugaben, drei an der Zahl. Das eher lahme "Untiteld vom Debütalbum "Turn On The Bright Light" hätte ich persönlich nicht gebraucht. Viel eher schon den Knüller "Leif Erikson", der aber nicht mehr kommt. Die einzige kleine Enttäuschung eines ansonsten hervorragenden Konzerts...

Setlist Interpol, Paris, Le Zénith (die Ziffern in Klammern geben an, auf welchem Album die Lieder enthalten sind):

01: Pioneer To The Fall (3. Album)
02: Obstacle 1 (1.)
03: C'mere (2.)
04: Narc (2.)
05: Pace Is The Trick (3.)
06: Hands Away (1.)
07: Say Hello To The Angels (1.)
08: Mammoth (3.)
09: No I In Threesome (3.)
10: Slow Hands (2.)
11: Rest My Chemistry (3.)
12: The Lighthouse (3.)
13: Evil (2.)
14: The Heinrich Maneuver (3.)
15: Not Even Jail (2.)

16: Untitled (1.)
17: Stella Was A Diver And She Was Always Down (1.)
18: PDA (1.)

Vergleicht die Setlist mal mit Köln, ganz anders! So etwas finde ich immer toll!

Meine Kamera ist kaputt, deshalb konnte ich heute keine Bilder schießen. Vom Highfield Festival habe ich aber ziemlich ordentliche Pics.

Ansonsten hoffe ich auf Photos meines Bekannten Robert Gil, der auch da war. Er ist Profi, seine Bilder auf der Seite www.photosconcerts.com sind immer spitze!



Faustine Seilman, Paris, 20.11.07

4 Kommentare

Konzert: Faustine Seilman

Ort: Le Nouveau Casino, Paris
Datum: 20.11.2007
Zuschauer: mittlere Füllung


Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Konzertbericht über Black Rebel Motorcycle Club folgen. An diesem Dienstag klappte aber auch so gar nichts wie geplant, so daß ich schließlich im Nouveau Casino bei der entzückenden Folksängerin Faustine Seilman landete. Die junge Frau aus Nantes spielt glänzend Klavier und ihre Band Postrock im Stile von A Silver Mount Zion.

Den kompletten Bericht gibt es morgen hier.

Und da kommt er, der angekündigte Bericht:

Also, mal ganz von vorne. Mit der Karte von Black Rebel Motorcycle Club (BRMC) in der Tasche machte ich mich sehr früh auf den Weg in die Stadt. Ich wollte um 17 Uhr 30 eine Bekannte im Café Charbon treffen, das im Ausgehviertel Oberkampf liegt. Meine Armbanduhr zeigte 16 Uhr 30 an, ich glaubte perfekt in der Zeit zu liegen. Normalerweise bräuchte ich für die Strecke eh nur eine gute halbe Stunde. An diesem Dienstag war aber nichts normal. Es fing damit an, daß meine Metro-Linie 8 komplett blockiert war. Eiserne Gitter versperrten den Zugang zu den Gleisen. Mir war klar, daß auch heute wieder gestreikt würde, einen Totalausfall der Linie hielt ich jedoch für unwahrscheinlich...

Zurück auf der Straße machten aufgebrachte Gewerkschafter ihrem Ärger auf die Regierung Luft. Mit ihren CGT -Fahnen hätten sie lieber zum Fußball gehen sollen, da hätten sie den Verkehr weniger gestört. So aber blockierten sie auch noch die Straßen rund um den Invalidendom. Das Chaos war unbeschreiblich, selten habe ich so viele Polizeifahrzeuge gesehen. Es wurde also nicht nur gestreikt, sondern zusätzlich auch noch demonstriert und zwar von Seiten der Beamten, die mit den Verkehrsbetrieben nichts zu tun haben.

Wie kam ich jetzt bloß zu meiner Verabredung? 40 Minuten hatte ich vergeblich auf ein Taxi gewartet, das nie kam. An einem anderen Stand hatte ich nach einer weiteren halben Stunde schließlich mehr Glück. Die Fahrt durch das Chaos auf den Straßen dauerte allerdings mindestens 50 (!) Minuten. Zu meinem Date kam ich mit über einer Stunde Verspätung und somit vergeblich!

Mir war gewaltig die Laune vergangen, ich brauchte erst einmal Nervennahrung. Die bekam ich in meiner Lieblingscrêperie auf der anderen Straßenseite. Der unglaublich nette und kommunikative Betreiber servierte mir nicht nur zwei köstliche Crêpes - ein herzhaftes und ein süßes - sondern fungierte auch als Psychater. "So ist das in Paris nun einmal mit den Streiks und den Demos", sagte er gelassen, "da darf man sich nicht drüber aufregen." Wenn Du aber gleich noch ins Elysée Montmartre willst, mußt du mindestens eine halbe Stunde latschen. Geh doch einfach ins Nouveau Casino, das ist gleich gegenüber!" Der Mann hatte Recht und für den spendierten Espresso danke ich ihm auch, indem ich mal den Namen seines Ladens nenne: marche ou crêpe, 88 rue Oberkampf, 75011 Paris. Sein Geschäft hebt sich wohltuend von den üblichen, oft sehr banalen und nicht immer hygienisch einwandfreien Crêperies ab. Bei ihm gibt es topsaubere Auslagen, mit völlig ausgefallenen Crêpes, die einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Ich hatte vorher z.B. noch nie ein Crêpes mit Karamellstückchen gegessen. Köstlich!

Ich also raus aus dem Reich der Verlockungen und zurück auf den harten Pariser Asphalt. Es regnete inzwischen in Strömen. Jetzt bis zum Montmartre latschen? - Nein, danke! Gute Idee, daß mit dem Nouveau Casino, zumal dort das kleine aber feine französische Label Effervescence einen Abend mit seinen Künstlern veranstaltete. Hierzu gehörten auch Percevalmusic, die als erste dran waren. Eine ziemlich experimentalle Sache das. Erinnerte mich an Battles. Vielleicht aber nur deshalb, weil das die einzige Band auf dem Gebiet Math-Rock ist, die ich kenne. Und math-rockig schienen mir auch Percevalmusic draufzusein. Amüsanterweise spielten sie nicht auf, sondern vor der Bühne. Auf Augenhöhe mit den Zuschauern also. Abgefahren!

Die danach folgende Künstlerin Faustine Seilman aus Nantes interessierte mich aber noch viel mehr. Durch Zufall bin ich beim Stöbern durch den riesigen CD-Laden Fnac auf ihr Album "Silent Valley" aufmerksam geworden und habe mich spontan in ihre Stimme und ihr fast klassisch zu nennendes Piano-Spiel verliebt. Nach dem heutigen Abend ist mir auch die junge Frau selbst ans Herz gewachsen. Bekleidet mit einer Pippilangstrumpf-artigen roten Strumpfhose auf schwarzem Kleid hauchte sie ein schönes, melancholisches Lied nach dem anderen ins Mikro. Das hatte etwas vom Folk-Gesang einer Cat Power, oder einer Shannon Wright, aber wenn ihre Band aufspielte, ging das Ganze in Richtung Postrock. Der flehentliche Gesang und die langgezogegen Soli erinnerten mich spontan an A Siver Mt. Zion, die ich auch prompt auf ihrer MySpace Seite als Haupteinfluss wiedergefunden habe. Parallelen gab es aber auch zu Cyann & Ben, die ich heiß und innig liebe. Hach, es war herrlich! Glockenspiel, Akkordeon, Spielzeugpianos, versponnenes Herz, was willst Du mehr?

Gefiel glaube ich auch den anderen im Publikum. An dieses richtete Faustine dann auch dankende Worte: "schön, daß ihr trotz der Streiks so zahlreich gekommen seid."

Ehrensache Faustine, schön, daß ich trotz der Streiks und der Karte für BRMC bei Dir gelandet bin. So ist Paris...

Setlist Faustine Seilman, Nouveau Casino, Paris:

01: Nocturne, Italy Square
02: The Ballad Of A Starving Man
03: Steppenwolf
04: Sincerely Yours
05: Mum
06: In A Silent Valley
07: Soap Opera
08: Road Of Silence
09: Keys Are Bound To Be Found
10: The Man Who Said No

Die danach aufspielenden Papier Tigre aus Nantes waren auch nicht übel. Das Trio bot hektischen (Grunge?) Rock im Stile von Fugazi und Q And Not U. Ich war allerdings ziemlich müde von dem Tag und nicht mehr richtig aufnahmefähig. Hört Euch Papier Tigre aber auf jeden Fall mal an und ebenso die anderen Bands des Effervescence-Labels, als da wären Chevreuil, My Name Is Nobody. Melodramatic Sauna, oder auch Room 204.



Dienstag, 20. November 2007

Interpol, Köln, 19.11.07

8 Kommentare

Konzert: Interpol & Blonde Redhead

Ort: Palladium Köln
Datum: 19.11.2007
Zuschauer: höchstens halb voll


Nachdem die letzten Takte von "Stella was a diver and she was always down" um kurz nach elf verklungen waren, habe ich es bereut, im August kurzfristig nach Thüringen zum Highfield Festival gefahren zu sein. Da waren Interpol aus New York Headliner des ersten Abends und lieferten ein perfektes Konzert ab. Aber an diesem Auftritt sollte sich eben auch der heutige im Palladium messen lassen. Und auch wenn ich mich redlich um Unbefangenheit bemüht hatte und nicht schon mit dem Gedanken "im Palladium kann das ja nichts werden" angekommen war, war das Konzert so, daß es mich nicht berührt hat - obwohl ich diese Band liebe und obwohl ich ihre Musik liebe und - eben obwohl ich im Sommer erlebt habe, wie herausragend Interpol live sein können.

Mich
überraschte am Anfang gleich, wie leer das riesige Palladium war. Auf den Tickets stand Beginn 20 Uhr pünktlich, was bei den letzten Malen eine gute Idee war, weil die Vorgruppen dann auch begannen (Herman Düne & die Blood Red Shoes). Um halb acht war allerdings noch so gut wie niemand im Saal. Blonde Redhead als Support sind zwar sicher nicht massen-bekannt, sie sind aber doch namhaft und ein großer Name als Vorgruppe, daß eigentlich für mich nicht zu erwarten war, daß die sich so wenige nur ansehen wollten. Bei den Blood Red Shoes vor Maximo Park war schließlich schon die Hölle los gewesen. Nun denn...

Blonde Redhead stammen wie die Band, für die sie eröffnen, aus New York. Die
Indieband besteht aus einem italienischen Zwillingspaar an Bass und Schlagzeug (Amedeo und Simone Pace) und der japanischstammigen Sängerin, Gitarristin und Keyboarderin Kazu Makino. Kazu hatte ein schlumpfblaues kurzes Kleid und eine Netzstrumpfhose an und hatte (der Eindruck enstand dann mit dem Einsetzen ihres zarten Gesangs) durchaus etwas (nein, nichts von Schlumpfine!) Elfenhaftes. Kazus Gesang ist ganz eindeutig das charakteristische Merkmal der Musik der New Yorker. Ein sehr schönes Beispiel dafür war gleich "Dr. Strangeluv" vom aktuellen Album "23", mit dem sie einiges nach acht begannen. "23" ist bereits das siebte Blonde Redhead Album. Ich kenne bisher nur die letzten beiden. Die sphärisch-rockigen Lieder sind absolut faszinierend und eigen und begeistern mich immer wieder. Für das Palladium und als Stimmungsmacher war das allerdings nichts. Um mich rum quatschten die Leute laut, klatschten dann aber am Ende der Lieder, die sie nicht (und ich ihretwegen kaum) gehört haben. Blonde Redhead sind definitiv eine Band, die man sich live ansehen sollte, dann allerdings in einem Club von Gebäude 9 Größe und als Hauptgruppe. So, vor wenigen Leuten, verpufften Hits wie "23" oder "Spring and by summer fall" leider vollkommen.

Setlist Blonde Redhead Palladium Köln folgt!

Als sich der Interpol Auftritt näherte, wurde es vorne voller. Voller, nicht voll. Der Balkon des Palladiums war ohnehin geschlossen, oben liefen nur eine Handvoll Leute in dem kleinen abgesperrten VIP-Bereich rum, u.a. Blonde Redhead. Ansonsten war es eben so kläglich gefüllt, daß man nach dem Ende ohne eine Sekunde zu warten, an die Bar kam. Normalerweise braucht man von vorne schon Ewigkeiten bis in Barnähe, heute war alles sehr übersichtlich. Schön, um Getränke zu kaufen, unschön für Konzerte.

Auf der Bühne standen schon während Blonde Redhead die LED-Türme, die später zum Einsatz kommen sollten. Als es dann dunkel wurde und die Band rauskam, erschien auf der Bühnenrückwand die Scene vom Cover der aktuellen CD, in der ein
Kudu von zwei Löwen gerissen wird. Dazu erklang das Lied, das wohl zur Zeit alle Interpol-Konzerte eröffnet, "Pioneer to the fall." Selbstverständlich waren die fünf New Yorker wieder sehr stylish gekleidet, insbesondere Gitarrist Daniel Kessler und Bassist Carlos Dengler sahen aus, als kämen sie gerade aus einer Fifth Avenue Boutique. Sänger Paul Banks trug ein weißes weites Hemd und einen schwarzen Schal unter dem Hemd. Auf der Bühne wird die Band zwar routiniert, allerdings nicht vollkommen abgehoben und kühl, wie das viele immer behaupten. Carlos und Daniel bewegen sich viel auf der Bühne, stehen nicht bloß auf ihren Plätzen und genießen die Aufmerksamkeit.

Ich hatte im Gegensatz zum Highfield-Festival Gelegenheit, dies alles zu beobachten, denn da war ich wegen des phänomenalen Sounds so im Banne der Musik, daß um mich rum sonstwas hätte passieren können, ich hätte es vermutlich nur sehr am Rande mitbekommen. Dieser Zauber (oh Gott, ich werde kitschig) fehlte mir im Palladium. Es ist der Fluch der vielen Konzerte, daß ein
gutes Konzert nicht mehr gut genug ist, wenn eben auch hervorragende dabei sind. Gut war es auch in meinen Augen, gar keine Frage, um es aber mit Jette Joob zu formulieren, touchiert hat es mich nicht.

Aber weg von dem, was nicht war und zu dem, was war. Bei den Setlisten, die so im Internet rumgeistern, fällt auf, daß die Band extrem variabel ist. Interpol scheinen einen Live-Vorrat von 20, 25 Liedern zu haben, aus denen sie auswählen. Die Zugaben
scheinen zwar auch immer ein Grundgerüst zu haben ("NYC", "Leif Erikson", "PDA", "Stella" und "Obstacle 1"), sich aber eben abzuwechseln. Die großen Hits der drei Alben (z.B. "Evil", "Narc", "Slow hands" oder "Heinrich maneuver") werden immer gespielt, dazu kommen aber eben auch neben den Singles "kleinere Lieder" (doofer Begriff, Albumtitel, die keine Single sind, meinte ich), wie das unglaubliche "Not even jail", das für mich eines der schönsten Stücke der Band ist. Ein Song, den viele liebe, den ich aber eher unspektakulär finde, ist "The lighthouse", den nur Paul und Daniel - und im Hintergrund Keyboarder Blasco (mit Hut!) in unglaublich kaltem Licht spielten.

"Not even jail" scheint auch der Band wichtig zu sein, das Lied kam nämlich als letztes vor den Zugaben, nachdem mit "Evil" und "
Heinrich maneuver" noch einmal richtig abgeräumt wurde. Nach ein paar Minuten Abtrocknen kamen die vier zu den Zugaben zurück. Dabei bildete "Stella" wie schon beim Highfield den Abschluß, wieder also ein besonderes Lied-Highlight am Ende.

Diese Band ist grandios, gar keine Frage! Vermutlich hat sie das Palladium auch bestmöglich gemeistert (ich kann das schwer einschätzen), in einem anderen Saal (und in einer anderen Ecke des Publikums) hätte es vielleicht auch für mich überragend sein können. Vor allem aber hat Interpol es nicht verdient, vor halbleerem Haus zu spielen. Die Karten waren für die Größe der Band angemessen teuer, es findet zur Zeit in der Kategorie nicht viel anderes an Konzerten statt (die Kaiser Chiefs waren ja auch nicht ausverkauft). Eventuell haben sich wirklich viele vorher vom Palladium abschrecken lassen. Jedenfalls war es dann so leer, daß es das E-Werk sicher auch getan hätte.

Setlist Interpol Palladium Köln:


01: Pioneer to the fall
02: Say hello to the angels
03: Narc
04: C'mere
05: The scale
06: Mammoth
07: No I in threesome
08: Slow hands
09: Rest my chemistry
10: The lighthouse
11: Take you on a cruise
12: Evil
13: Heinrich maneuver
14: Not even jail

15: Leif Erikson (Z)
16: Obstacle 1 (Z)
17: Stella was a diver and she was always down (Z)

Links:

- Interpol live...
- beim Highfield Festival (August 2007)
- in der KulturKirche in Köln (Mai 2007)
- in Paris im Mai 07
- Fotos vom Palladium Auftritt



 

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