Samstag, 31. August 2013

David Byrne & St. Vincent, Larmer Tree Gardens, 30.08.13

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Konzert: David Byrne & St. Vincent
Ort: Larmer Tree Gardens (End Of  The Road Festival), England
Datum: 30.08.2013
Dauer: gut 80 min




Wenn ich ganz ehrlich bin, hätte dieses Konzert auch in einem Musical-Theater oder auf einem Kreuzfahrtschiff stattfinden können. St. Vincent, die (früher sehr verhutschelte) amerikanische Sängerin im Coctail-Kleidchen, David Byrne, die Musiklegende im weißen Dinnerjacket mit schwarzem Hemd und weißen Hosenträger und dazu die NDR Bigband mit zig Bläsern, die gemeinsam mit den beiden Sängern raffinierte Choreographien, die man sonst nur von amerikanischen Marching Bands in College-Football-Stadien kennt, aufführten. Klingt weder nach einem Headliner eines exzellent besetzten Indiefestivals noch nach einem guten Konzert. 


Aber das war es. Wobei "gutes Konzert" der Show überhaupt nicht gerecht wird.

Ich hatte erst sehr spät gemerkt, wie sehr ich mich eigentlich auf diesen Auftritt freue. Zu viele andere Knüller - die meisten aktuellen Lieblingsbands - sind im Lineup des End Of The Road Festivals (heute Warpaint und Daughter, gestern Allo Darlin' und Savages, morgen Jens Lekman und Belle & Sebastian und zig andere). Daß diese außergewöhnliche Kooperation zwischen dem Talking Heads Sänger und der jungen Amerikanerin auch grandios zu werden versprach, kam mir erst vor ein paar Tagen in den Sinn. Daher keine Chance, das zu verpassen!


Als ich zur Woods Stage, der großen Bühne des Festivals kam, zwitscherten von Band Vogelgeräusche. Eine erste Talking Heads Verbeugung. Auf der Bühne lagen allerlei Instrumente. Posaunen, Trompeten, ein Saxophon, Gitarren und in der Mitte ein Sousaphon!


Punkt halb zehn kamen von überall Musiker, alle sehr chic gekleidet und stellten sich hinter die beiden Sänger. Elf meine ich gezählt zu haben. Bis auf einen Keyboarder und den Schlagzeuger alles Blasmusiker. "Brass attack", beschrieb Annie Clark das irgendwann. 

Alle Lieder waren voll durchchoreographiert. Alle Bewegungen schienen geplant und oft geprobt. So etwas kann man schrecklich finden, mir geht das meist so. Aber selbst wenn man die offensichtliche Ironie dahinter ausblendet, hätte dies dem Konzert gestanden! Im Gegensatz zu seiner Kollegin trug David Byrne ein Headset-Mikro (so ein Dings, das Fernsehmoderatoren vor dem Mund haben). Er konnte als wandern, über die Bühne tänzeln, sich zu unser aller Freude oft zum Affen machen - und er schien das zu genießen! Bei einigen Liedern bewegten sich die Musiker in festen Figuren über die Bühne. Es erinnerte oft an die schrecklichen Folkloretänze bei olympischen Eröffnungsfeiern. Nur eben in gut.

Die Zugabe The party (ein St. Vincent Stück) mündete zum Beispiel darin, daß die (ihre Instrumente spielenden) Musiker sich walzertanzend drehten.


Das Programm ähnelte dem von vielen der letzten Auftritte. Eine solch komplett koordinierte Show erfordert das. Weil ihre gemeinsamen Konzerte in Theatern offenbar viel länger sind, gab es eine abgespeckte Festival-Version, die immer noch 80 min lang war. Die Stücke waren also die bekannte Mischung aus Solo-Liedern der beiden, gemeinsamen Titeln und Talking Heads-Songs.


Wenn das ein oder andere Lied ein wenig schwächer war, machte es all das, was auf der Bühne passierte wieder spannend. Allerdings haben gemeinsame neuere Songs es ja auch nicht leicht gegen Konkurrenten wie Wild wild life auf der gleichen Setlist. Es waren aber auch nur wenige unspannendere Stücke, die mir vielleicht auch einfach zu unvertraut sind.


Vertraut waren mir die fünf Talking Heads Songs. Ich bin zwar nicht mit dieser Band groß geworden, habe sie erst ab Naked, ihrer letzten Platte "live" miterlebt, trotzdem haben viele ihrer Lieder meine Jugend musikalisch geprägt.  Viele, viele Jahre später erst Tina Weymouth und Chris Frantz als Tom Tom Club (u.a. mit Psycho Killers) zu sehen und jetzt David Byrne, ist ein schöner Zufall und war musikalisch beide Male brillant. Bei This must be the place führte David einen herrlich verrückten Ausdruckstanz auf. Wild wild life steigerte die kollektive Talking Heads Begeisterung, die in Burning down the house richtig ausbrach. Bei Road to nowhere, der zweiten Zugabe nach der Walzer-Tanz-Party, brachen alle Dämme. Jeder, wirklich jeder brüllte vom ersten Ton an mit. Atemberaubend! Jetzt kann noch kommen, was wolle. Den einen weltbewegenden Moment hatte das Festival schon. Und das Jahr!

Mein Vorfreude-Alarm hatte recht. Das Konzert war fabelhaft! Und natürlich war das vollkommen zurecht einer der drei Headliner! Sigur Rós werden sich heute sehr strecken müssen, um auch nur annähernd an die Blasmusik-Polonaisen von Annie und David ranzukommen!

Bei aller Brillanz stachen zwei Sachen noch heraus. Als die Band zur Zugabe erschien, kamen sie nicht alle gleichzeitig. Einer der Musiker nach dem anderen kam zurück auf die Bühne und spielte den immer gleichen Ton, der durch die wachsende Zahl der Blasinstrumente immer fetter wurde aber auch monoton (haha) blieb. Das war das Intro zu The party - und es war wundervoll!


Nach Road to nowhere, das weitestgehend als Polonaise aufgeführt wurde, ging die Band auch so von der Bühne und spielte instrumental weiter. Man hörte also die immer leiser werdende Musik aus dem Hintergrund. Ich bin sicher, sie haben bis in den Bus weitergespielt. 


Zwischendurch hatte es fies und kalt geregnet und mich ein dämlicher Kleinkünstler, der doofe farbverändernde Kugeln an Schnüren durch die Luft drehte, was ich im Augenwinkel sah, genervt. Aber das prallte alles an dem großen Spektakel vorne ab!

Setlist David Byrne & St. Vincent, End Of The Road Festival:

01: Who
02: Weekend in the dust
03: Strange overtones (David Byrne & Brian Eno)
04: Marrow (St. Vincent)
05: This must be the place (Talking Heads)
06: The forest awakes
07: Like humans do (David Byrne)
08: Lightning
09: Wild wild life (Talking Heads)
10: Cheerleader (St. Vincent)
11: Lazy (David Byrne)
12: I should watch TV
13: Northern lights (St. Vincent)
14: The one who broke your heart
15: Cruel (St. Vincent)
16: Burning down the house (Talking Heads)

17: The party (St. Vincent) (Z)
18: Road to nowhere (Talking Heads) (Z)

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Donnerstag, 29. August 2013

Pele Caster und Ben Schadow, Karlsruhe, 28.08.13

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Konzert mit Pele Caster und Ben Schadow
Ort: Karlsruhe
Datum: 28. August 2013
Dauer:110 min
Zuschauer: knapp 30




Was macht ein gelungenes Konzerterlebnis aus? Das ist eine der Fragen, auf die wir - zumindest zwischen den Zeilen - hier in fröhlicher Vielstimmigkeit des Konzerttagebuches Antworten suchen, an uns und den Lesern ausprobieren um anschließend weiterzusuchen. 



Aus den Berichten zu vergangenen Konzerten sieht man sicher sehr gut, dass ich alle meine Wohnzimmerkonzerte sehr genossen habe. Aber es gibt immer noch etwas Raum nach oben zu den wunderbaren und ganz besonders kostbaren Abenden. Und als ich nach dem Konzert mit Ben und Pele ins Bett gefallen bin, wußte ich, dass dies so einer der ganz besonderen Abende gewesen war. So ein warmes Gefühl im Kopf und im Bauch, das nicht mit Worten beschrieben werden muss, sondern das ich einfach genießen konnte und von dem ich sicher war, dass es auch den anderen Konzertbesuchern in die Nacht hinaus gefolgt war.


Wieder einmal kann ich das nicht dadurch erläutern, dass ich in Gedanken hier noch einmal musikalisches nacherzähle. Ohne mein Notizbuch, das ich für "normale" Konzerte immer dabei habe, aber zu Hause im Regal liegen lasse, verschwimmt der Abend für mich zu einem einzigen Moment der zeitlosen Seligkeit. Es gab wieder viele ganz neue Gesichter bei uns. Es gab einige Besucher, die sich angekündigt hatten und von denen ich wußte, dass sie sich schon unglaublich auf diesen Abend freuten.


Es gab zwei Künstler, die sich schon so gut aufeinander und auf die Situation der Wohnzimmer- und Gartenkonzerte eingeübt haben, dass ich es im Vorfeld als sichere Bank angesehen habe, dass das super funktionieren wird. Was ich nicht erwarten konnte war, dass es noch viel erfrischender und lustiger wurde als ich dachte und dass wir als Publikum die ganze Zeit wie ein dritter Künstler im Konzert eingebunden waren. Die Konzerte mit Ben und Pele leben natürlich von den tollen Liedern, die die beiden im Gepäck haben. Das sind gestandene Leute, die aus ordentlich Material genau das picken können, was sich im Test der Zeit als für dieses Format passend erwiesen hat und können daraus noch wählen, was genau auf die abendliche Situation zugeschnitten ist. Zusammen mit einem gesunden Maß an Routine, die auch dem Publikum die Ruhe gibt, dass die schon wissen was sie tun.



Aber was man nur im konkreten Konzert erleben kann ist, wie sie zwischen den Songs Sinn und Unsinn miteinander und den Zuhörern teilen und uns damit einladen, sie auch ein Stück weit kennen zu lernen. Oder leicht staunend den Funken nachträumen, die da auf der Bühne versprüht werden. Ohne dass man je den Gedanken hätte, die halten sich für etwas besonderes. Eher haben sie ganz besonders die Antennen aufgestellt, die die unausgesprochenen und Wünsche des Publikums empfangen und nach Möglichkeit erfüllen bzw. zum Aussprechen der Wünsche einladen. In einer sehr unprätentiösen und freundlichen Weise, der ich ganz schutzlos verfallen bin. 


Außerdem war es wieder einmal eine ganz besondere Freude mit meinen Gästen - so viele freundliche Gesichter, so viel lächeln und lautes lachen, so viele herzliche Umarmungen beim Abschied. So viel schwingen auf der gleichen Wellenlänge. Das füllte mir das Herz.

Berichte Ben Schadow Band
14. 4. 2013 in Stuttgart
25. 4. 2013 in Mannheim


Dienstag, 27. August 2013

Sheep, Dog and Wolf, Auckland, 24.08.13

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Konzert: Sheep, Dog & Wolf mit Supports Cheats und Foxtrot
Ort: Golden Dawn in Auckland (NZ)
Datum: 24. August 2013
Dauer: 30 min + 30 min + 45 min
Zuschauer: Rappelvoll - etwa 200




Meinen letzten Abend in Neuseeland habe ich nicht etwa mit meiner dortigen Familie verbracht, sondern in einer Bar, dem Golden Dawn. Ich musste die Gelegenheit ausnutzen, dass das Auckländer Konzert von Sheep, Dog & Wolf in fußläufiger Entfernung zum nächtlichen Sofa stattfand. Nachdem wir am 22. August in Wellington nicht zusammen gekommen waren, hatte ich mir am 23. 08. wenigstens das ganz frisch erschienene Album heruntergeladen und die Musik hatte mich auf unserem insgesamt fast neunstündigen Roadtrip von Wellington nach Auckland immer mehr in seinen Bann gezogen. In mir wuchs die Überzeugung: Das muss ich mir auch live ansehen. Da die Konzerte in Europa für mich alle ungünstig liegen werden, musste ich es in Auckland zwingen!


Das Golden Dawn stellte sich als gemütlicher Schankraum heraus, ungefähr dreieckig  geschnitten, wobei an der längsten Seite (der Hypothenuse) der Tresen verläuft. Im spitzen Winkel (ausgerechnet) war eine Bühne aufgebaut und Cheap waren gerade mit dem Soundcheck fertig als ich nach dem Abendessen angehetzt kam.


Was folgte, war nach eigenen Angaben das erste Konzert der Formation und in der Besetzung 2 E-Gitarren, E-Bass, 2 Schlagzeuger war es auf der kleinen Bühne ganz schön eng und ordentlich laut. Aber die Indie-rockige Musik war nicht unsympathisch und besonders der Gesang nach meinem Geschmack. Zwischendurch riss eine Saite und die Gitarre von Daniel McBride wurde fix ausgeborgt. Als Daniel (der Mann hinter Sheep, Dog & Wolf) im letzten Stück noch mit dem Saxophon Unterstützung brachte, hatte ich echte Sicherheitsbedenken für die Menschen auf dem überdicht gefüllten Podium.

Setlist Cheap:
1) Peacock
2) Leave
3) All my friends
4) Peach
5) Baby
6) Time of year


Nach rekordverdächtig kurzer Umbauzeit kam Flo Wilson - die Frau am Bügelbrett - für mich DIE Überraschung des Abends. Sie agierte unter dem Moniker Foxtrot mit einer kleinen Loopstation und Computer und das Hauptinstrument war ihre Stimme. Und was für eine Stimme! Als nach 13 min das erste Stück vorbei war, hatte sie nicht nur den Kneipenlärm nach und nach ersterben lassen, sondern erntete - in meinen Augen völlig verdient - enthusiastisch tobenden Applaus.


Leider wurde der Versuch, die Bühne schnell für den Hauptact zu vorzubereiten durch einige technische Probleme vereitelt. Am Ende musste Daniel mit technischem Handicap und 30 min später als geplant antreten.


Das tat aber der Musik keinen Abbruch. Die Aufstellung: ein Mann an drei Mikros mit Loop, wechselndem Bass, Gitarre, Saxophon und ein Schlagzeuger ist in meinen Augen sehr ungewöhnlich, funktionierte aber super. Es fällt mir schwer, die Musik in eine Schublade zu sortieren. Wahrscheinlich ist das auch ein Teil des Reizes, den sie auf mich ausübt. Unwillkürlich musste ich an ein Gespräch denken, dass ich am Rande eines Konzertes von Plumes belauscht hatte: Ist es denn nicht verteufelt schwierig, die ganzen Taktwechsel hinzukriegen - fragte der klassisch ausgebildete Zuhörer des Konzertes. Worauf er die Antwort bekam - Ich habe doch die Songs so gemacht.


Die Rhythmen wechseln hier nämlich zum Teil auch rasant - neben den Instrumenten. Aber was eigentlich für mich das Wucherpfund im Mix ist, ist die Stimme von Daniel. 

Das mittlerweile wirklich zum bersten das kleine Lokal füllende Publikum (die Dame am Einlass versicherte mir später noch, sie hätte es noch nie so voll erlebt) war denn auch restlos begeistert und ließ den jungen Mann mit ohrenbetäubendem Applaus hochleben. Was für ein euphorisierende Abend das war! Große Empfehlung für die Deutschlandshows! 

Auf den Fotos sieht man, dass während der Musik Filme an eine Wand projiziert wurden. Für Foxtrot z.B. Folgen der s/w-Fassung von Flash Gordon und für Sheep, Dog and Wolf The Mummy. Dramatische Bilder zu dramatischer Musik...

Setlist Sheep, Dog & Wolf:
1) Fades
2) Breathe
3) An Incomprehensive Catalogue
4) Egospect
5) Not Aquatic
6) Problems/Canvas
7) Glare
8) Ablutophobia
9) Nothing, Probably

Sheep, Dog & Wolf Konzerttermine in Europa:

05.09. Haldern / Haldern Pop Bar w/Hundreds
06.09. Vlieland / Into the Great Wide Open Festival
07.09. Groningen / Vera
08.09. Deventer / De Hip
09.09. Duisburg / Grammatikoff
10.09. Mainz / Schon Schön
11.09. Chemnitz / Aaltra
12.09. Dresden / Ostpol
13.09. Prag / The Pilot
15.09. München / Orangehouse/Feierwerk
17.09. Posthof / Linz  w/ Andrew Colberg
19.09. Tilburg / Incubate Festival  w/ MÙM
20.09. Basel / 1.Stock
21.09. Paris / Espace B
22.09. Schorndorf / Manufaktur
23.09. Nancy / L’Autre Canal  w/Coco Rosie
25.09. Leipzig / Ilses Erika
26.09. Berlin / Schokoladen  w/Andrew Colberg
27.09. Hamburg / Reeperbahnfestival @ Hasenschaukel  


Tourtagebuch Europa





Das Label Lil'Chief Records über seinen Künstler: 
Sheep, Dog and Wolf is the solo project of nineteen year old multi-instrumentalist, Daniel McBride. As Sheep, Dog and Wolf, McBride creates experimental pop which blends orchestrated arrangements and layered vocals with influences that extend all the way from Norwegian Jazz (think: Jaga Jazzist), Tokyo new jazz (think: Mouse On the Keys) to Math Rock and Electronica. McBride first became interested in woodwind instruments as a three year old when listening to Miles Davis recordings at bedtime. At seven he started turning his ambitions into reality learning recorder, to prepare for clarinet which led to his main instrument - the saxophone. He spent his teen years teaching himself to a host of other instruments including drums, guitar, cello and euphonium. While still in high-school he began drumming for fiery New Zealand noisepunk group Bandicoot, and while still sixteen he began performing infront of small audiences at house parties and dive bars as well as large audiences at music festivals like The Big Day Out and Camp A Low Hum. In 2011, McBride self-recorded his first solo effort, the EP 'Ablutophobia' and self-released it on Bandcamp. 'Ablutophobia' caused a bit of a stir online and through word of mouth the EP quickly reached the ears of overseas media. All of a sudden Sheep, Dog and Wolf was being called 'a rare pearl' in the pages of Italian Vogue and finding himself being named 'a young Sufjan Stevens' by The Guardian. Meanwhile, McBride continued to develop his musical knowledge by studying composition at Victoria University and attending workshops by the highly respected John Psathas. He also began self-recording his first album over a period of two years and the result of all this hard work 'Egospect' will be released on Lil' Chief Records on August 23, 2013.

Mehr Fotos:
 



Konzertempfehlungen von Gudrun im September

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Ob der September jetzt eher dem späten Sommer oder dem frühen Herbst zuzuordnen ist, ist wohl Geschmackssache. In jedem Fall gibt es im Jahr 2013 viele Gelegenheiten, die Septemberabende mit extrem guter Musik zu füllen. Hier folgt meine persönliche Auswahl. 



Mein Festivalsommer endet dieses Jahr wieder mit dem Sound of Bronkow in Dresden. Auch wer keine Karte mehr ergattern konnte, findet noch einen Platz im Garten des Societätstheaters zu den Konzerten, zu denen kein Ticket erforderlich ist oder kauft sich eine Eintrittskarte für das Konzert in der Dreikönigskirche am Sonntag Abend. Dann könnten wir auch hinterher noch einen gemeinsamen Abschiedswein vom Bronkowsound trinken.
Achtung: Am 22. und 24. September lade ich wieder in mein Wohnzimmer ein. Zu Gast sind dann Mister & Mississippi bzw. Marius Ziska.



Jeffrey Lewis & the Rain

27.08. Hannover - Sturmglocke
28.08. Hamburg - Astra-Stube
29.08. Wetzlar - Café Vinyl
30.08. Darmstadt - Oetinger Villa
31.08. Dresden - The Sound of Bronkow Festival
02.09. Berlin - Festsaal Kreuzberg
03.09. Nürnberg - Hemdendienst
04.09. Wien - Chelsea
05.09. München - Kafe Kult
06.09. Freiburg - Swamp
07.09. Karlsruhe - Halle 14




Listener

27.08. Dortmund / Fzw
28.08. Stuttgart / Jugendhaus West
29.08. Frankfurt / Brotfabrik
30.08. Berlin / Privatclub
31.08. Dresden / Sound of Bronkow Festival
01.09. Regenburg / Andreas Stadel Kino
03.09. Trier / Ex-Haus
04.09. Arlon / L' Entrepot


Oktalog

30.08. Nonstock Festival / Fischbachtal
03.09. Saarbrücken / Garage
04.09. Konstanz / Kulturladen
05.09. Ulm / Roxy
06.09. Würzburg / Café Cairo
07.09. Wiesbaden / Schlachthof
10.09. Hannover / Café Glocksee
11.09. Bremen / Tower Musikclub
12.09. Kiel / Schaubude
14.09. Dresden / Beatpol

 

Cocorosie

02.09. Bremen – Schlachthof
03.09. Copenhagen – Vega
04.09. Aarhus  – Voxhall
07.09. Dresden – Reithalle
13.09. Stuttgart  – Wagenhallen
15.09. Zurich – Kaufleuten
16.09. Amsterdam – Paradiso
18.09. Leuven  – Het Depot
19.09. Frankfurt  – Mousonturm
20.09. Frankfurt  – Mousonturm
21.09. Köln  – Gloria
22.09. Tilburg  – Incubate Fest @ City Theatre
23.09. Nancy  – L’Autre Canal
25.09. Paris  – Olympia
26.09. St. Malo  – La Nouvelle Vague
27.09. Brighton  – Brighton Dome
29.09. Manchester  – Academy 2
30.09. London  – Oval Space
01.10. Gateshead  – The Sage
02.10. Dublin  – Button Factory




TV Noir Konzerttour #9 
mit Kashmir (Duo) und Chapeau Claque

03.09. Werk 2 - Halle - Leipzig
04.09. Scheune - Dresden
10.09. Karlstorbahnhof - Heidelberg
11.09. Jazzhaus - Freiburg
12.09. Wagenhallen - Stuttgart
13.09. Freiheizhalle - München
15.09. Centralstation - Darmstadt
17.09. Gloria - Köln
18.09. Zeche - Bochum
19.09. Haus der Jugend - Osnabrück
21.09. Lutherkirche-Jugendkirche - Hannover
22.09. Lagerhaus - Bremen
23.09. Uebel & Gefährlich - Hamburg
24.09. Astra Kulturhaus - Berlin




Sheep, Dog  & Wolf

05.09. Haldern / Haldern Pop Bar w/Hundreds
06.09. Vlieland / Into the Great Wide Open Festival
07.09. Groningen / Vera
08.09. Deventer / De Hip
09.09. Duisburg / Grammatikoff
10.09. Mainz / Schon Schön
11.09. Chemnitz / Aaltra
12.09. Dresden / Ostpol
13.09. Prag / The Pilot
15.09. München / Orangehouse/Feierwerk
17.09. Posthof / Linz  w/ Andrew Colberg
19.09. Tilburg / Incubate Festival  w/ MÙM
20.09. Basel / 1.Stock
21.09. Paris / Espace B
22.09. Schorndorf / Manufaktur
23.09. Nancy / L’Autre Canal  w/Coco Rosie
25.09. Leipzig / Ilses Erika
26.09. Berlin / Schokoladen  w/Andrew Colberg
27.09. Hamburg / Reeperbahnfestival @ Hasenschaukel 



Hello Piedpiper

05.09. - Frankfurt - Feinstaub
06.09. - Giessen - Alte Kupferschmiede w/ Am Leben Forbei
07.09. - Darmstadt - Golden Leaves Festival
11.09. - Landau - Südstern Ev.
12.09. - Altensteig - Cafe Wohnzimmer
13.09. - Saarbrücken - Manufaktur der schönen Dinge -
14.09. - Sindelfingen - Versöhnungskirche
16.09. - Augsburg - Hempel
19.09. - Trier - Die Villa
05.10. - Berlin - Melodica Festival - Urban Spree Galerie
11.10. - Zwolle w/ Town of Saints
12.10. - Groningen w/ Town of Saints - Album Release
13.10. - Horst w/ Town of Saints
18.10. - Gelsenkirchen - Wohnzimmer
25.10. - Aachen - Raststätte
29.10. - Bonn - Bla w/ Jonah Matranga
22.11. - Dresden/Leipzig - PPZK Festival
23.11. - Dresden/Leipzig - PPZK Festival
04.12. - Münster - Teilchen und Beschleuniger





Sea & Air
   
07.09. München, Milla - Live Club
08.09. Neunkirchen, Stummsche Reithalle
09.09. Offenbach, Hafen Zwei
10.09. Köln, Stadtgarten
11.09. Dortmund, FZW
12.09. Duisburg, Alte Feuerwache
14.09. Osnabrück, Kleine Freiheit
15.09. Breda, Breda Barst
17.09. Berlin, Lido Berlin
18.09. Jena, Café Wagner
20.09. Plauen, Malzhaus
21.09. Potsdam, Waschhaus
22.09. Leipzig, Moritzbastei
24.09. Bremen, Lagerhaus
26.09. Rostock, MAU-Club
27.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
28.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
29.09. Münster, Cafe Sputnik
02.10. Tübingen, Sudhaus Tübingen
03.10. Karlsruhe, Jubez



Hooded Fang

08.09. Köln - Blue Shell
11.09. Hamburg - Molotow Bar
12.09. Hannover - Glocksee
13.09. Berlin - Magnet
14.09. München - Atomic Café
 


The Elwins

11.09.  Schorndorf – Manufaktur
12.09.  Hannover – Glocksee
13.09.  Erfurt – Franz Mehlhose
14.09.  Freiburg – Swamp
15.09.  Offenbach – Hafen 2
18.09.  Nürnberg – MUZclub
20.09.  München – Atomic Café
21.09.  Aflenz – Sublime
23.09.  Wien – Rhiz
24.09.  Innsbruck – PMK
25.09.  Köln – Blue Shell
26.09.  Dresden – Bärenzwinger
27.09.  Berlin – Magnet
28.09.  Hamburg – Reeperbahn Festival
29.09.  Oberhausen – Druckluft



Rue Royale

12.09.  Botanique – Brussels
13.09.  Rotown – Rotterdam
14.09.  Paradiso – Amsterdam
15.09.  Vera – Groningen
16.09.  FFT – Dusseldorf
17.09.  Ponyhof Club – Frankfurt
19.09.  Prinzenbar – Hamburg
20.09.  Privatclub – Berlin
23.09.  Club Stereo – Nürnberg

24.09.  Autre Part - Differdange
26.09.  Espace B. - Paris
15.10.  Morph Club – Bamberg

16.10.  Tuchlaube - Aarau
17.10.  Amboss Rampe - Zürich
18.10.  Portier - Winterthur
19.10.  Franz Mehlhose – Erfurt

22.10.  Stille Post - Görlitz
23.10.  Junges Theater – Göttingen
24.10.  Feinkostlampe – Hannover


Bernhard Eder


14.09. Reindorfgassenfestival / Wien
14.09. Goodball / Wien - Stagetime 23.30
19.09. Wolkenkuckucksheim.tv / Lübeck
21.09. Atelier Bullerdeich 14a / Hamburg
22.09. Küchensessionsfestival / Hamburg
27.09. Kino Ebensee / Ebensee
30.09. Radiokulturhaus / Wien



Sophie Hunger

14.09. Braunschweig - KulturImZelt
20.11. Worpswede - Music Hall
21.11. Osnabrück - Rosenhof   
23.11. Weissenhäuser Strand - Rolling Stone Weekender  




Marius Ziska

16.09. Hamburg - Nachtasyl
17.09. Kiel - Prinz Willy
18.09. Husum - living room concert
19.09. Düsseldorf - Kassette
20.09. Köln - Wohngemeinschaft
21.09. Stuttgart - Cafe Galao
23.09. Lindau - Alte Fähre
24.09. Karlsruhe - Wohnzimmerkonzert Waldstadt
25.09. Zürich - Kafi
28.09. St. Gallen - Keller der Rosen



Pressefoto

Mister & Mississippi

18.09. Chemnitz / Aaltra
19.09. Schwäbisch Hall / Paula Will Tanzen
20.09. Luzern  / Treibhaus
21.09. Zürich  / Kafi Für Dich
22.09. Karlsruhe / Wohnzimmerkonzert Waldstadt
23.09. Jena / Cafe Wagner
24.09. Mainz / Schon Schön
25.09. Berlin / Badehaus
26.09. Hamburg / Hasenschaukel (Reeperbahn Festival)
27.09. Hamburg / Dutch Impact Party (Reeperbahn Festival)



Vereinsheim Baldu


19.09. Kulturzentrum Tempel in Karlsruhe
20.09. Alte Feuerwache in Mannheim



Ben Schadow

21.09. Plauen – Malzhaus
22.09. Berlin – PrivatClub
25.09. Leipzig – Ilses Erika
26.09. Chemnitz – Weltecho
04.10. Zürich – Bar Rossi   




Misteur Valaire

21.09. Karlsruhe, Tollhaus
23.09. Köln, Studio 672
24.09. Hamburg, Marx
25.09. Berlin, White Trash Fast Food
27.09. Mainz, Schon Schön
04.10. Bielefeld, Bunder Ulmenwall
05.10. Tübingen, Sudhaus
06.10. Zürich, Papiersaal
08.10. Hannover, Mephisto
09.10. Münster, Gleis 22
10.10. München, Ampere



Benjamin



23.09. Husum - Wohnzimmerkonzert
24.09. Kiel - Prinz Willy
25.09. Aalborg (mit Teitur)
26.09. Aarhus (mit Teitur)
27.09. Hamburg - Reeperbahnfestival
28.09. Odense (mit Teitur)
29.09. Mainz - Hafeneck

01.10. Duisburg - Steinbruch


Múm

23.09. Köln  — Gebäude 9
24.09. Frankfurt a.M. — Zoom
25.09. Munich  — Ampere
26.09. Leipzig  — UT Connewitz
27.09. Berlin  — Heimathafen Neukölln
28.09. Hamburg  — Reeperbahnfestival


Käptn Peng und die Tentakel von Delphi

25.09. Bremen - Lagerhaus
26.09. Magdeburg - Moritzhof
27.09. Leipzig - Täubchenthal
28.09. Hamburg - Reeperbahn Festival (ohne Ofrin)
30.09. Bochum - Bahnhof Langendreer
01.10. Düsseldorf - Zakk
02.10. Überraschung, wird erst noch bekannt gegeben
04.10. Basel - 1. Stock
05.10. Schorndorf - Manufaktur
06.10. Wiesbaden - Schlachthof


Motorama


25.09. Köln / Blue Shell
26.09. Münster / Gleis 22
30.09. Jena / Café Wagner
02.10. Freiburg / Swamp 



Sonntag, 25. August 2013

Prinz Pi & Band, Großpösna, 18.08.2013

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Konzert: Prinz Pi & Band
Ort: Großpösna, Störmthaler See (Highfield Festival)
Datum: 18.08.2013
Dauer: etwa 45 Minuten
Zuschauer: viele tausend



Manchmal hat die Witterung einen Hang zu übertrieben kitschigen Bildern. Friedrich Kautz, der sich mit den letzten Veröffentlichungen unter seinem Künstlernamen Prinz Pi als Rettung des Deutschraps, als bester Hip-Hopper dieses Landes bewies, schaut über die Köpfe der zahllosen Zuschauern zum Himmel auf, Wind treibt einem Sandkörner in die Augen. Sieben Songs spielte der Berliner Künstler mit seiner tadellosen Band bereits, als er „Laura“, die emotionale Verarbeitung des Selbstmords einer Ex-Freundin, über den er nicht hinwegkommt, ankündigt. 
Prinz Pi rappt sich bei seinem letzten Festivalauftritt in diesem Jahr mit düsterer Miene durch die aufrüttelnden Verse, es beginnt zu regnen. Die Stimme des Studentenrappers überschlägt sich leicht: „Wenn das Abendlicht in genau dieser Farbe ist / dann ist ein Loch in der Luft wo du standest / Hörst du mich wo du bist? / Bleib genau da! / Bald komm ich nach nach / Also wart auf mich“; Zeilen an der Grenze zum Kitsch werden verstärkt durch das Wetter, Kautz selbst scheint ehrlich gerührt. 
Gefühlt schallt der Text aus tausenden Mündern. Die verbale Anteilnahme an massiven Selbstbeschuldigungen, an tiefster Trauer, am emotionalen Horrortrip ist am windigen Spätnachmittag des letzten Highfield-Tags erstaunlich. „Als mein Handy dann klingelte, mit deiner Nummer, / ich erst mal nicht ran ging, / beim dritten Mal unter Fluchen dann doch, / als irgendwer dran war, der fragte: / "Wer sind sie?" Von dir ein Bekannter? / Der sagte, meine Nummer wär' die letzte gewesen, / die du vor dem Unfall dann wähltest / als dein Vater, den ich nie getroffen hab, / sagte dein Wagen - Brücke - mehrfach überschlagen / Sekundenbruchteile - keine Bremsspur zu finden / Selbstmord - 10. Mai - Beerdigung München / dann Klicken - Stille bei klingelnden Ohren / so bin ich erfroren im inneren Norden“. 
Angekommen im deutschen Pop-Mainstream ist der ehemalige Underground-Held heute der Inbegriff niveauvollen Deutschraps. Es war Prinz Pi, der auf seiner „Neopunk“-Tour vor einigen Jahren eine junge Bielefelder Nachwuchshoffnung als Support mitnahm. Der phänomenale Erfolg des heutigen Popstars Casper wäre ohne diese Hilfestellung kaum vorstellbar. Doch auch seine eigenen Alben werden immer populärer. 
Ohne ein Major-Label im Rücken landete bereits „Rebell ohne Grund“ 2011 in der Top10 der deutschen Charts, bevor das weit poppigere „Kompass ohne Norden“ in diesem Jahr sogar die Spitze erklimmt hat. 
Live-Bands bekommen Hip-Hoppern in der Regel gut. Auch wenn Prinz Pi diesen noch in „Bombenwetter“ auf „Rebell ohne Grund“ eine Absage erteilte, unterstützt ihn seit vergangenem Jahr selbst eine. Und natürlich hauchen Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier dem Ganzen Leben ein. 
Als ich ihn auf den Tag genau zwei Jahre zuvor in der ausverkauften Frankfurter Batschkapp sah, gingen mir der elektronisch erzeugte Orgelsound, die DJ-Einlagen noch gehörig auf die Nerven, heute kann ich jede Minute genießen. 


Lediglich E-Rich, langjähriger Back-Up des Prinzen, ist glücklicherweise noch mit von der Partie und rettet den oft atemlosen – weil asthmatischen – Protagonisten immer wieder in heiklen Situationen. Die Technik meint es, wie bei vielen anderen Auftritte des diesjährigen Highfields auch nicht gut, mit dem studierten Grafikdesigner, der erstaunlich freundlich immer wieder darauf hinweist, dass sein Monitor nicht angeschaltet sei. Nach wiederholten Bitten, wird diese Hürde genommen und das tadellose Konzert, das mit „Fähnchen im Wind“, dem Opener des aktuellen Langspielers, äußerst vielversprechend begann, nimmt seinen hektischen Lauf. 
„Kompass ohne Norden“ ist verstärktem Pop-Appeal zum trotz eine fantastische Veröffentlichung, eine Coming-Of-Age-Erzählung erster Güte. Friedrich Kautz entwirft eine autobiografische Collage zwischen Oberstufe, Mensaessen, Karrieristen und Gescheiterten. „Fähnchen im Wind“ fungiert als erster Track wie eine programmatische Einführung in das konzeptionell ambitionierte Album. Auch live entfaltet das neue Stück seine Tiefenwirkung, was die Klasse des Künstlers zeigt. 
Wo andere Rapper im Livetest kläglich versagen, gelingt es dem 33-jährigen mit Mütze, Nerd-Chic-Brille, unscheinbarem T-Shirt und kurzer Jeanshose, die Spannung zu halten, ohne das alles in öder Animation mündet. Selbstverständlich wird auch hier mit Plattitüden („Macht mal richtig Lärm“, „Alle Hände hoch“, etc.), nerviger Publikumsbespaßung und den üblichen Ritualen gearbeitet, die musikalisch-lyrische Qualität gleicht das allerdings locker aus. „Ich komme wie Jimi, gehe wie Kurt / Mit einem Knall so laut das ihn jeder hört / Altes Manowar Shirt, die Jeans mit Loch / Chucks war'n weiß, sind grau, viel gerockt“, „Du bist“, der große Hit des vorangegangenen Albums, wird kollektiv mitgesungen, Prinz Pi kultiviert ein stilvolles Name-Dropping, biedert sich nicht an, verwendet die richtigen Schlagworte, bevor sich die dunkle Liebesballade zur unnachahmlichen Schlüsselzeile zum Werk des Rappers - „Melancholie ist die Lederjacke meines Vereins“ - steigert. 


Dendemann mag die originelleren Wortspiele finden, Casper größeren Pathos generieren, doch niemand beherrscht Worte und Namen mit vergleichbarer Eleganz und klugem Schmunzeln wie Prinz Pi. „Bob Dylan gab mir einst einen Kompass ohne Norden“, heißt es im darauffolgenden Titeltrack des aktuellen Werks. Dylan-Zitate wirken oft abgedroschen, Pi gibt die Fußnote wenigstens an und hat den Text verstanden. Zur gefälligen Pianomelodie schildert er die persönliche Entwicklung seines Abijahrgangs mit Tod, Erfolg und der ständigen Suche nach der eigenen Identität. Nach einer treffenden Abrechnung mit deutschen Familien-Erwartungs-Klischees, folgt offensichtliche, nicht minder wirkungsvolle Kapitalismuskritik: „Hab gestern einen wieder getroffen / Mit ihm paar Biere gesoffen / Den ganzen Abend hat er durch meine Miene gesprochen / In den Spiegeln hinter mir / Er ist sehr erfolgreich / Ich weiß jetzt alles über teure Uhren und den Goldpreis / Wie er stetig steigt / Und über junge Frauen, die immer wollen wenn er kann / Und er selber will immer / Über den Aufsichtsrat, sein neues, teures Auto / Nach dem 4. Bier wird er für mich lautlos / Und ich schreie, was hast du schon erreicht? / Du bist nur der größte Hai in einem kleinen Teich / Doch es kommt stets ein größerer, besserer, stärkerer, cleverer Hai / Sei ein Mensch und kein Hai, Mensch! / Zwischen den Beinen von deiner Sekretärin / Findest du keinen Lebenssinn, vergisst du deinen Ehering / In einem Lebenslauf völlig ohne Lücken, hört das Leben auf /Alter, zähl da drauf!“ 
Deutscher Hip-Hop muss nicht stumpf sein, auch wenn das – ironisch – nach Dendemann Trumpf ist, deutscher Hip-Hop braucht keinen Sexismus, keine Homophobie. Prinz Pi ist ein Beweis gegen diese, von den Bushidos und Sidos der Szene gepflegten, Klischees. Ein anderer Beweis dagegen ist natürlich Casper, der sich auch auf „Kompass ohne Norden“ als Feature findet. In „100x“ rappt er einen Gastpart. Auch in Großpösna kommt der Song im klassischen Hip-Hop-Beat gut an, auch ohne Casper. 
Das wunderbar selbstironische „Der neue iGod“ lädt zum Armschwenken ein. Das gefällige Spiel mit der meist als Angriff gedachten Betitelung als Studentenrapper ist die perfekte Antwort auf all die Prolls. Mit scharf geschliffenen Zeilen wie „Ob an Humboldt oder Technischer, egal wo ich rumsause / Promo? Ich promoviere – summa cum laude“ oder „Und weil mir dumme Frauen zu wider sind / Häng' ich ab mit Medizinerinnen, die gut beim Anästhesieren sind“ gewinnt der Berliner Beatles-Fan, der seinen Hund Penny Lane taufte, das Battle und auch jeden noch so reservierten Hip-Hop-Skeptiker, bevor der Refrain mit größtmöglich geheuchelter Arroganz besticht („Ich weiß das alles hier ist fremd für dich, aber bitte mach dir nicht ins Hemd / Meine Musik zeigt dir nur wie beschränkt du bist, und was du alles noch nicht kennst“). 
Das schönste an „Glück“, einer erfolgreichen Single jüngeren Datums, ist der plakativ geklaute Beatles-Bläsersatz gegen Ende. Dazu ist der eingängige Song natürlich ein angenehmes Liebeslied. Junge Mädchen singen mit Tränen in den Augen mit, während Mit-40er, die auf Tocotronic warten, anerkennend lächeln. Prinz Pi gelingt es problemlos Gegensätze zu vereinen. Der Baggie-Träger und der Irokesen gestählte Punk treffen auf Hipster und Indie-Jünger. 
„Wir meinten immer nur einander, wenn wir Glück sagten“, die vermeintliche Plattitüde wächst mit der Zeit, die Anspielung auf einen Teenie-Blockbuster der 80er, „Hol' den DeLorean, lass' uns damit zurückfahren“, kommt punktgenau komisch. 
Dann folgt "Laura" mit Tränen und Regentropfen, bevor Friedrich Kautz noch ein letztes Mal in die Rolle des Animateurs schlüpft, die Menge auffordert die Faust zum Refrain, zum „Oi, Oi, Oi“ skandieren, zu heben. „Aus politischen Gründen bitte die linke Faust. Mann, Mann, auf so etwas muss man echt nur hier hinweisen“, merkt er pennälerhaft kichernd an, bevor mit dem zynischen „Generation Porno“ das energische Ende des Konzerts in ausgelassener Party mündet. Der ehemalige Prinz Porno hat seine Vormachtstellung als Speerspitze des deutschen Hip-Hops eindrucksvoll gefestigt. Step aside, Casper!


Setlist Prinz Pi & Band, Großpösna

01: Fähnchen im Wind 
02: Du bist 
03: Kompass ohne Norden 
04: 100x 
05: Der neue iGod 
06: Die letzte Ex 
07: Glück 
08: Laura 
09: Generation Porno



Naked Lunch, Stade, 03.08.2013

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Konzert: Naked Lunch
Ort: Bürgerpark, Stade (Müssen Alle Mit Festival)
Datum: 03.08.2013
Dauer: etwa 50 Minuten
Zuschauer: vllt. 1.500



Als Me And My Drummer die Bühne des Müssen Alle Mit Festivals betreten, reißt der Himmel endgültig auf, die Schwüle weicht einem angenehmen Sommertag, der gerade gefallene Regen steigt dampfend auf, während Charlotte Brandi (Gesang und Synthesizer) und Matze Pröllochs (Schlagzeug) aus Berlin mit ihrem hellen, gehauchten Dreampop auch musikalisch den Wetterwechsel vollziehen. 

Zum Schluss gibt es nach einigen neuen Stücken, 8 Songs und knapp 40 Minuten „You're A Runner“, das bekannteste Lied des Duos, das sich in Tübingen kennenlernte. 
Oliver Welter, Frontmann und Gitarrist der österreichischen Vorzeigeband Naked Lunch, beobachtete das Geschehen vom Bühnenrand und steht kurz darauf mit seiner eigenen Gruppe vor den zahlreichen Besuchern im fast ausverkauften Bürgerpark in Stade. 



Im April begeisterte mich, die bei Tapete Records veröffentlichende Band aus Klagenfurth am Wörthersee mit außergewöhnlicher Popmusik im Zwölfzehn. Gesäumt von riesigen Glühbirnen, gehüllt in warmes Licht verzauberte mich die wahrscheinlich beste Band unseres Alpennachbarlands mit sphärischen Klängen, pulsierender Energie und schlichtweg perfekter Popmusik. 

Zum erweiterten Umfeld der Weilheimer Szene um The Notwist gerechnet, gelingt es der nach William S. Burroughs' Roman benannten Formation seit Jahren glänzend, gängige Normen und Klischees zu umschiffen, neue Wege zu gehen, um sich damit auf höchstem internationalen Niveau wiederzufinden. 


Gewöhnlicher Gentlemen, Superpunk und Tapete-Booker Carsten Friedrichs schlüpft beim ausgezeichneten Festival nicht nur in die Rolle des Musikers, sondern führt auch als zurückhaltender Moderator gewohnt stilvoll durch das Programm. Die Vorfreude auf Naked Lunch nimmt man der Hamburger Mod-Größe sofort ab, als kurz darauf das Quartett aus Welter, dem exaltierten Bassisten Herwig Zamernik, Schlagzeuger Alex Jezdinsky und Keyboarder Stefan Deisenberger seinen Auftritt beginnt, fallen technische Probleme sofort ins Auge beziehungsweise Ohr. 


Offenbar nutzt man aus logistischen Gründen dasselbe Equipment wie die befreundete Liga der gewöhnlichen Gentlemen, sodass Gentlemen-Bassist Tim Jürgens mehrmals auf der Bühne erscheint, um bei der Behebung der akustischen Probleme und einer technischen Nachjustierung zu helfen. 
Naked Lunchs Musik ist für popmusikalische Standards ungewohnt komplex, umso bedeutender ist ein akzeptabler Sound für die gelungene Performance. Die Eröffnung mit dem perkussiv-treibenden „Keep It Hardcore“ vom in diesem Jahr erschienenen „All Is Fever“, ist gezeichnet von einem katastrophalen Sound, der im Verlauf des weiteren Konzerts immer mehr einem harmonischen Ganzen weicht, das in der Lage ist, den musikalisch vielschichtigen Stücken der versierten Alternativ-Helden aus Österreich den nötigen Raum zu geben. 
Der technisch beste Sänger des Genres ist Oliver Welter sicher nicht, dennoch lebt die Musik des Quartetts insbesondere von den Brüchen in der sanft-rauchigen Stimme ihres Vokalisten. Verstärkt wird die hochgradig emotionale Wirkung des Gesangs durch die energischen Harmonien, die monoton steigenden „Ohohos“ des Bassisten Zamernik. Die meisten Stücke warten mit beeindruckenden Crescendi auf, Alex Jezdinsky erzeugt äußerst zurückhaltend signifikante Rhytmen, die einen nicht unerheblichen Anteil am wundervollen Gesamtergebnis haben. 


Nie keimt Kitsch auf, Pathos verschwindet hinter zerbrechlichen Keyboard-Klang-Wänden. „My Country Girl“ vom fantastischen 2007er Album „This Atom Heart Of Yours“ ist als zweites Stück ein früher Genuss im wunderbaren Set der Österreicher, bevor das stimmliche, sich beängstigend steigendernde Duell zwischen Welter oder Zamernik bei „41“ direkt danach den intensivsten Moment des Konzerts beschert. Welter schlägt mit einem Drumstick auf die Saiten seiner Gitarre ein, abrupt endet das Lied. 


Höchste Aufmerksamkeit erfordernd ist Naked Lunch eine gewagte Wahl für Festivals. Dass ihnen diese geschenkt wird, spricht für die Qualität des MAMF und lässt wie auch die Besucherzahl auf eine glorreiche Zukunft im Bürgerpark hoffen. „Town Full Of Dogs“, der grandiose Popsong „Militairy Of The Heart“, mit seiner absolut Mainstreamradio tauglichen Melodie... Die Liste toller Songs ließe sich tatsächlich lange fortsetzen. 


Mit der sinkenden Abendsonne steigt die atmosphärische Stimmung des Abends. Kurz darauf wird „The Sun“ gespielt, nachdem schon „At The Lovecourt“ den Abend veredelte. Ich liege in den Armen meiner Freundin, genieße den buchstäblich erhabenen Augenblick. 
Oliver Welter steht zuletzt fast alleine auf der Bühne, spielt Gitarre, stimmt „Shine on“ vom aktuellen Album an. Keyboarder Deisenberger nimmt hinter dem Schlagzeug Platz, die gesamte Band setzt ein, während Welter den wunderbar traurigen Text haucht. „You shine on forever / You shine on till the end!“ 


Die Technik spielt letztlich mit, ermöglicht Naked Lunch einen formvollendeten Schluss. Verneigung. Die Sonne versinkt langsam hinter den Bäumen, als ich mir wieder einmal klar darüber werde, dass Naked Lunch zu den Großen gehören müssen – und das nicht nur in der Heimat, in der sie seit Jahren gebührend gewürdigt werden. Tapete setzt – wie so oft – auf die richtigen Künstler!



Links:
- aus unserem Archiv:
- Naked Lunch, Stuttgart, 08.04.2013 


Maxïmo Park, Großpösna, 16.08.2013

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Konzert: Maxïmo Park
Ort: Großpösna, Störmthaler See
Datum: 16.08.2013
Dauer: eine knappe Stunde
Zuschauer: tausende


2013 glaubt man es kaum, aber ja, vor einigen Jahren war der gradlinige Indie-Rock von Maximo Park aus Newcastle wirklich einmal wichtig: Die Band um Frontmann Paul Smith veröffentlichte mit „A Certain Trigger“ (2005) und „Our Earthly Pleasures“ (2007) zwei herausragende Alben der vergangenen Dekade, darauf folgte eine Menge Mittelmaß, das langweilige Soloalbum des Sängers und mit „The National Health“ der öde Tiefpunkt im vergangenen Jahr. 
Ob die Nordengländer live noch an die Klasse ihrer großen Zeit anknüpfen können, fragte ich mich vor ihrem Auftritt auf dem sächsischen Highfield Festival. Mit „When I Was Wild“, dem Piano getragenen Intro des aktuellen Albums, das direkt in den Titeltrack desselben, „The National Health“, übergeht, beginnend, scheinen sich meine Befürchtungen zu bestätigen. 
Der wie immer Hut tragende Paul Smith wirbelt zwar wie eh und je über die Bühne, man kann erahnen, dass dieser Act vor nicht allzu langer Zeit als spannend galt, dennoch langweilt mich der abgehobene, snobistische Beginn trotz Sozialkritik und schnellen Gitarren. 
Die Erlösung lässt glücklicherweise mit „Girls Who Play Guitars“ nicht lange auf sich warten, Smith wirkt gelöst, als er die frenetische Reaktion der Menge auf den Publikumsliebling wahrnimmt. The Jam-Gitarren, dekadente Posen im Anzug und dieser selbstgefällige Gesang, der ihm einmal die Betitelung Jarvis Cocker des Nordens“ einbrachte, entfalten ihre sofortige Wirkung. Wie bei den Kaiser Chiefs ist es folgerichtig bereits nach wenigen Jahren von Nostalgie zu sprechen. Der Anspruch als relevante Band der Gegenwart wahrgenommen zu werden, kann nur verfehlt werden, der Funke springt bei den Konzerten erst bei den alten Hits über, entflammt Emotionen, setzt Tanzbeine in Bewegung und lässt einen fröhlich an die Jugend zurückdenken. 
Besonders mochte ich bei Maximo Park immer den unbeschwerten Keyboard-Einsatz in Zeiten, in denen das 80s Revival schlimme, überladen produzierte und dabei äußerst erfolgreiche Synthie-Sünder wie die Killers hervorbrachte. Lukas Wooller von Maximo Park gelang damals der Spagat zwischen zeitgeistiger Anbiederung und nötiger Distanz sehr elegant, indem er sich offenbar wenig Gedanken um die Außenwirkung machte. Auch heute ist es der Keyboarder, der gemeinsam mit der auffälligen Singstimme Smiths den Bandsound ausmacht, der die Erwartungen erfüllt. 
 Während neuere Stücke fast ungehört an mir vorbeirauschen, saugt man die Bandklassiker auf, tanzt zu „Apply Some Pressures“ oder „Graffiti“, skandiert die schwarzhumorigen Zeilen aus „Our Velocity“ lautstark - „Im not a man, Im a machine / Chisel me down until I am clean / I buy books, I never read / And then I'll tell you some more about me“ - bevor man sich beim großartigen „Books From Boxes“ andächtig singend in den Armen liegt, während Smith, Duncan Lloyd (Gitarre), Archis Tiku (Bass), Wooller und Tom English (Schlagzeug) noch einmal alle Register der Indie-Nostalgie-Revue zurück in die 00er Jahre ziehen und die Generation der kurz nach der Wende geborenen Festivaljünger ein letztes Mal beglücken. 
Wichtig ist das alles freilich nicht mehr, aber eine knappe Stunde enthemmtem Brit-Rocks entschädigt für vieles. Live sind Maximo Park auch 2013 eine Wucht, unangefochten der mitreißende Act des ersten Festivaltags, die neusten Alben darf man nichtsdestoweniger trotzdem getrost ignorieren. 


Links:
- aus unserem Archiv:
- Maximo Park, Köln, 03.03.2012 
- Maximo Park, Frankfurt, 28.10.2009 
- Maximo Park, Düsseldorf, 22.10.2009
- Maximo Park, Luxemburg, 19.10.2009
- Maximo Park, Münster, 08.05.2009
- Maximo Park, Köln, 03.03.2009
- Maximo Park, Haldern, 09.08.2008
- Maximo Park, Nijmegen, 20.06.2008
- Maximo Park, Wiesbaden, 22.10.2007
- Maximo Park, Köln, 16.10.2007
- Maximo Park, Glasgow, 02.10.2007
- Maximo Park, Paris, 08.06.2007
- Maximo Park, Köln, 26.05.2007
- Maximo Park. Bochum, 09.04.2007



Samstag, 24. August 2013

Thees Uhlmann & Band, Großpösna, 18.08.2013

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Konzert: Thees Uhlmann & Band
Ort: Großpösna, Störmthaler See (Highfield Festival)
Datum: 18.08.2013
Dauer: etwa 45 Minuten
Zuschauer: tausende


„Römer am Ende Roms“ zur Eröffnung ist ein Standard eines Thees Uhlmann-Konzerts. Dass Uhlmann das Stück zu Beginn seines kurzfristig angesetzten Highfield-Auftritts spielen würde, war nicht wirklich zu bezweifeln, trotzdem schwingt mit dem mit Springsteen-Zitaten gespickten Liebeslied ein erhabenes Gefühl an diesem Spätnachmittag Mitte August mit. 
Es ist stürmisch, die Luft scheint Sand getränkt, Regentropfen prasseln einem ins Gesicht: Uhlmann wurde wenige Tage zuvor als Ersatz für den englischen Akkustikpunk und „hardest working man in showbiz“ (Billy Bragg) Frank Turner aus Winchester, der wegen eines Rückenleidens eine Reihe Auftritte absagen musste, bestätigt. 
Uhlmann selbst ist Fan und guter Bekannter des Briten und sieht es als Ehre seinen Urlaub um wenige Tage zu verschieben. Dass er mit „Römer am Ende Roms“, das nicht nur auf Springsteens „Dancing in the Dark“ verweist, sondern auch textlich angedeutet und vor allem musikalisch augenscheinlich an dessen „Thunder Road“ angelegt ist, beginnt, lässt einen positiv an Turner denken, dessen reduzierte Akustikversion des „Born To Run“-Songs das beste Springsteen-Cover ist, das ich kenne. 
 Beide vereint die leidenschaftliche Liebe zur Rock-Ikone aus New Jersey, was man glücklicherweise auch der Musik anhört. Als Solokünstler inszeniert sich Thees Uhlmann gekonnt als deutscher Boss und kommt ebenso wie Turner auch bei eingefleischten Springsteen-Fans an. Der Pathos passt auf dem im diesen Jahr vom amerikanischen Punk geprägten Highfield Festival kontrastiv; „Triff mich an der Kirche / denn ich habe Lust zu schwören, / dass wir für den Rest der Tage zusammen gehören / Triff mich bitte mitten ins Herz / Triff mich auf der Bank im Park / Even though we are just dancers in the dark“, singt Uhlmann inbrünstig, während Julia Hügels Pianospiel und der Mundharmonika-Einsatz keinen Zweifel an einer „Thunder Road“-Referenz lassen. 
Eine tolle Band hat der auf Solopfaden wandelnde Tomte-Frontmann da um sich versammelt. Neben der erwähnten Musikstudentin Julia Hügel sind das Martin Kelly (von Martin & James) an der Gitarre, Markus Perner an den Drums, Hubert Steiner am Bass und Tobias Kuhn (Gitarre und Mundharmonika). Kuhn, der auch das selbstbetitelte Debütalbum des gebürtigen Hemmoorers produzierte, ist ein wichtiger Faktor für den großartigen Verlauf Uhlmanns Solokarriere. Verantwortlich für klangästhetische Prozesse ist der ehemalige Miles-Sänger derjenige, der dafür sorgte, dass „Thees Uhlmann“ eine der besten deutschen Indie-Pop-Veröffentlichungen der letzten Jahre wurde. Darüber möchte man ihm sogar die Beteiligung als Co-Produzent am aktuellen, wirklich furchtbaren Toten Hosen-Album „Ballast der Republik“ verzeihen, aber für die Songs kann er freilich auch nichts. 
Knapp eine Dreiviertelstunde hat Uhlmann in Großpösna Zeit seine Lieder zu präsentieren und es gelingt dem 39-jährigen souverän ein begeisterndes Set zwischen subtiler Alltagsbeobachtung und ausgelassener Indie-Party zu spielen.  
„Das Mädchen von Kasse 2“, „Vom Delta bis zur Quelle“, „Die Toten auf dem Rücksitz“, wer es sich leisten kann drei Songs dieser Klasse hintereinander zu spielen, kann zurecht in seine Songwriter-Qualitäten vertrauen.  
„Sind heute Eltern hier?“, Uhlmann erzählt von seiner 6-jährigen Tochter in Berlin, solidarisiert sich mit anwesenden Müttern und Vätern, denen es gelingt Konzertleidenschaft und Kinderbetreuung zu koordinieren und spielt das für junge Familien wohl programmatische „Die Nacht war kurz (und ich stehe früh auf)“. Wieder setzt die Mundharmonika nebraska'esk ein, der angenehm wabernde Bass lenkt kurz ab, lässt einen an das morgendliche Aufstehen denken, dann setzt der Refrain mit der Titel gebenden Zeile ein, die vom begabten Sänger Tobias Kuhn wiederholt wird. 
Auf Thees Uhlmann-Konzerten wird viel gesprochen, die Geschichte aus der niedersächsischen Provinz, die er vor „Lat: 53.7. Lon: 9.11667“ erzählt, steht in bester „The River“-Tradition, glänzt mit Anekdotenreichtum und Einblicken in die uhlmann'sche Biografie. Während die Band dezent die Melodie des Stückes liefert, berichtet der Frontmann aus seinem Kinderzimmer, vom ständigen Fahrradfahren, von den väterlichen Aggressionen gegen Kreator und Slayer, dem Tod der Oma eines Kumpels, der eigentlich zu einer Party gerufen hat. „Hier komm ich her, hier bin geboren, hier komm ich her“, singt Uhlmann im Refrain und widmet es allen Besuchern, die vom Land kommen. Selten wurde die Verwurzlung in provinzieller Erinnerung ehrlicher und besser formuliert als in diesem Song, „Du kriegst die Leute aus dem Dorf, das Dorf nicht aus den Leuten / Und ich weiß nicht wirklich, was soll es bedeuten.“ Melancholisch denkt man selbst an die eigenen Kindheit auf dem Land zurück und ist froh dort aufgewachsen zu sein. Emotionen werden geweckt, ohne zu Verkitschen, Kontraste klingen an, Kritik wird deutlich, doch überwiegt, ja verbleibt auch in den Grautönen die Identität, nach der die urbane Gesellschaft, gerade die, die es aus der Provinz dorthin verschlug, suchen. „Hier gibt es Restaurants, in die niemand geht, / Weil das Essen um Punkt sechs auf den Tischen steht. / Hier gibt es Kühe auf den Weiden und Atomkraftwerke / Und reden war noch niemals unsere stärkste Stärke. / Haben hohe Himmel im tiefsten Blau. / Hier nimmt man seine Jugendliebe noch zur Frau.“ Man akzeptiert den Pathos, weil er treffend ist, man legt es nicht als Zynismus aus, weil es wertneutral berichtet, wie das Leben spielt. Es sind Lieder, wie dieses, die den Künstler Thees Uhlmann auszeichnen und die die Springsteen-Vergleiche zulassen. 
Nächste Woche erscheint „#2“, das zweite Album unter eigenem Namen. Mit „Am 07. März“ wird nur ein neues Stück vor den Toren Leipzigs gespielt. Der eingängige „Ohoho“-Refrain lässt einen Hit erwarten. Name- und date-dropping stört nicht; ausgehend vom gemeinsamen Geburtstag seiner Mutter und Rudi Dutschke im selben Krankenhaus in Berlin-Pankow berichtet Uhlmann von weiteren Ereignissen an diesem Tag in der Geschichte: Von der Rhein-Überquerung der Amerikaner bei Remagen im zweiten Weltkrieg, über die Veröffentlichung von „American Psycho“, dem ersten Mal „We Are The World“-Hören, der Patentierung des Telefons, die erste "Sendung mit der Maus" bis hin zur Gründung der FDJ. Dazu gibt es wunderbare Zeilen wie „Die Menschen spielten wirklich irgendwann mal Tennis“. 
Dass die Technik ausgerechnet bei „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“, dem größten Solohit, der Assoziationen zu einer anderen wichtigen Band im Uhlmann'schen Kosmos zulässt, nämlich Oasis, ist tatsächlich ärgerlich. Wütend wirft Uhlmann den Mikrophonständer um, das Publikum singt währenddessen den Refrain, bevor die Probleme behoben sind und sich der Song als zu erwartendes Highlight beweist. 
Die Zuschauer toben, Uhlmann zieht die Lederjacke aus, steht im schwarzen T-Shirt vor den Zuschauern, lässt sich feiern. Die Strophen entfalten ihre glänzende Wirkung mit dem aufbäumenden Einsetzen des Refrains erst richtig. Ein Feedback hallt nach, tosender Applaus. 
„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht; Casper aus Bielefeld kann heute nicht bei uns sein. Jetzt die schlechte, ich muss selbst rappen.“ „& Jay Z singt uns ein Lied“ markiert den Schlusspunkt eines starken Konzerts, das den Ausfall Turners fast vergessen macht. Die Zuschauer singen den ikonischen Song eindrucksvoll mit, dann käme Caspers Einsatz, Uhlmann beginnt zu rappen; „Mehr Kraft als Mut mit mehr Schnaps als Blut / In den Augen, Taumel durch die Nacht im Flug schlafimmun / Ab und zu Lebenslichter schwebenden Songs / Hab' 99 Probleme, wir sind jedes davon“, dann bricht er ab, der Refrain setzt verfrüht ein, die Zuschauer spielen euphorisiert mit. 
Verschwitzt und strahlend lächelnd verabschiedet sich Uhlmann mit einer Verneigung: „Wenn ich daran denke, mit Gaslight Anthem auf einer Bühne zu stehen, geht mir einer ab! Und Tocotronic sollen 'Jenseits des Kanals' spielen. Wir sehen uns bald!“ 
 45 Minuten nach dem verspielten Piano-Intro von „Römer am Ende Roms“ ist man begeistert. Es gelingt ihm, Menschen glücklich zu machen - auch das scheint ein Standard zu sein. Das ist das größte Kompliment, das man Uhlmann machen kann. Er ist auf einem guten Weg, seine Stellung als deutscher Musiker in der Tradition Springsteens zu festigen, ohne ins bloße Epigonentum abzufallen. Ich gratuliere!


Setlist Thees Uhlmann & Band, Großpösna:

01: Römer am Ende Roms
02: Das Mädchen von Kasse
03: Vom Delta bis zur Quelle
04: Die Toten auf dem Rücksitz
05: Die Nacht war kurz (ich stehe früh auf)
06: Lat: 53.7. Lon: 9.11667
07: Am 07. März (neu)
08: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
09: & Jay Z singt uns ein Lied


Links:
- aus unserem Archiv:
- Thees Uhlmann & Band, Mannheim, 01.06.2013 
- Thees Uhlmann & Band, Haldern, 09.08.2012
- Thees Uhlmann & Band, Scheeßel, 23.06.2012
- Thees Uhlmann & Band, Trier, 10.12.2011
- Thees Uhlmann & Band, Köln, 25.11.2011
- Thees Uhlmann & Band, Bielefeld, 12.12.2010
- Tomte, Wien, 05.09.2009
- Tomte, Mülheim, 25.03.2009

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Stade, 03.08.2013

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Konzert: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen
Ort: Bürgerpark, Stade (Müssen Alle Mit Festival)
Datum: 03.08.2013
Dauer: ca. 45 Min
Zuschauer: vllt. 500


Der Tod des BootBooHooks ist sicherlich nicht das prominenteste Opfer des immer beängstigender erscheinenden Festivalsterbens, das die europäische Konzertlandschaft erfasst hat. Nichtsdestoweniger ist das Verschwinden des gemütlich-familiären Festivals in Hannover einer der schmerzhaftesten Schläge für Indie-Connaisseure und Liebhaber hochwertiger deutscher Popmusik. 
Dass das ausrichtende Hamburger Indie-Label Tapete Records dieses Jahr mit dem „Müssen alle mit – Festival“ (MAMF) erstmals ein weiteres Sommerfestival veranstaltet, trocknet so manche Träne. 


Als weitere Veranstaltung neben dem etablierten BootBooHook geplant, könnte das im Bürgepark in Stade stattfindende Eintagesfestival irgendwann einmal in die Fußstapfen des verblichenen, großen Bruders treten. 
Mit Kettcar als Headliner und Künstlern wie Tusq, Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Me And My Drummer, Naked Lunch und Turbostaat lockt Tapete knapp 2.000 Besucher in die kleine, pittoreske Hansestadt unweit von Hamburg. 


Von meinem Sommerurlaub an der Ostsee ist es nicht allzu weit nach Stade, sodass ich mich freue, die Erstauflage des MAMFs mitzuerleben. Ein Stau vor der Elbfähre in Glückstadt zieht sich in die Länge, wir müssen uns damit abfinden, die vielversprechende Hamburger Nachwuchsband Tusq zu verpassen. Schade, denn der Ruf des Grand Hotel van Cleef – Acts ist mehr als vielversprechend. 
Es ist heiß: Hohe Luftfeuchtigkeit und Schwüle des frühen Nachmittags empfangen uns nach unkomplizierter Parkplatzsuche in Stade, bevor bei Betreten des Festivalgeländes gerade das markant-skurille Trabrennbahn-Intro von „Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar Du)“ erschallt: „Cheri Cheri Lady an der Spitze...“ 

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen erscheint vor noch nicht allzu vielen Zuschauern auf der Bühne und besticht wie schon vor wenigen Monaten im Stuttgarter Club Schocken mit unnachahmlichen, scharfzüngigen, deutschsprachigen Northern Soul. 
Carsten Friedrichs (Gitarre und Gesang) und Tim Jürgens (Bass) veröffentlichten schon vor der Auflösung der besten deutschen Modband, Superpunk, gemeinsam mit Philip Morton Andernach (Gitarre und Saxophon), Ex-Blumfeld-Drummer André Rattay und Gunther Buskies, Tapete-Records-Co-Gründer, den fantastischen Fußballsong „Die Gentlemen Spieler“ auf einem Rolling-Stone-Sampler. 


Dass die Nachfolgeformation als kleine Supergroup Superpunk in nichts nachsteht zeigte schon der vielversprechende Clubauftritt im April, nachdem ich vom Debütalbum zunächst eher enttäuscht war. Doch scheinen weitere Spielpraxis und das an Arroganz grenzende Vertrauen in die Klasse der eigenen Songs die Band zu weiteren Höchstleistungen angespornt zu haben. In Stade genügen wenige Minuten, um überaus deutlich zu zeigen, welch enormes Potential in diesem scheppernden Hamburger Quintett und seinen bestechenden Songs steckt. „Ich lass mich gehen in letzter Zeit“, singt Carsten Friedrichs im schwarzen Fred-Perry-Polo-Shirt und adretter Frisur und konterkariert die Zeilen mit demselben Humor, mit dem er im thematisch ähnlichen Superpunk-Song „Das Feuerwerk ist vorbei“ verblüffte: „Im Spiegelbild ein fremder Mann, / der mal schön war irgendwann / Und ich tu mir selber leid / Da ist ein Cut über der Braue, bekam ich gestern Abend Haue? / Mein Anzug dreckig, die Pupillen weit / Ich lass mich gehen in letzter Zeit“


Gunther Buskies, der vor etwa zehn Jahren gemeinsam mit Dirk Darmstaedter Tapete Records ins Leben rief, erschien im Frühling hinter den Keyboards noch etwas unscheinbar, heute strotzt er nur so vor Selbstbewusstsein und betört mit herrlichen 60s Orgelsounds zwischen Bahnhofskino-Soundtrack, Motown und dem Klang britischer Beatbands.  


Thies Mynther schien Superpunk, die ihren letzten Auftritt in Deutschland vor ihrer Auflösung vergangenes Jahr beim BootBooHook-Festival hatten, mit seiner harmonischen Tastenarbeit zusammenzuhalten, regelrecht zu zügeln. Gemeinsam mit Philip Morton Andernachs perfektionierten Saxophoneinsatz schlüpft Buskies mittlerweile glänzend in die Rolle als elementares Bindeglied.  
„Ich hoffe, es bleibt trocken. Lasst uns gegen den Regen ansingen. Dieses Lied ist über eine wundervolle Band“, kündigt Friedrichs vor verdüstertem Himmel „Der fünfte Four Top“, eine sagenhafte Liebeserklärung an den Soul Detroits, an. 
Thees Uhlmann im Publikum hat seinen Spaß und lässt sich auch nicht vom einsetzenden Regen abschrecken. „Weine nicht, es ist nur ein Film“, ein bizarrer Song über die Spiderman-Filme und das herrliche „Frühling im Park“ sind Highlights des Sets, während mir „Meine Jeans“ wohl nie gefallen wird. 
Bassist Tim Jürgens, der sich als profilierter Sport- und Lifestyle-Journalist - als Ex-Redakteur des deutschen Playboys und derzeit als stellvertretender Chefredakteur des besten Fußballmagazins, 11 Freunde, - ein zweites Standbein aufbaute, singt jene locker um den Finger gewickelten Harmonien noch immer mit ironischem Lächeln um die Mundwinkel und gibt die Schlagrichtung der Gruppe subtil vor. 


Vermutlich auf dem zweiten Album der Hamburger Band lässt sich irgendwann einmal „Kennst Du Werner Enke“, eine Hommage an den gleichnamigen Schauspieler, der vor über vierzig Jahren in Filmen wie „Zur Sache, Schätzchen“ oder „Nicht fummeln, Liebling“ zu sehen war, finden. 
Kaum ein Songwriter kann in Puncto Originalität und unterschwelligem Humor hierzulande Carsten Friedrichs das Wasser reichen. Bernd Begemann, der Pate der Hamburger Schule, der seit 30 Jahren fest integriert in den deutschen Pop-Underground ist, gehört zu denjenigen, denen eben dies gelingt. Wenig verwunderlich ist es daher, dass Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ausgerecht bei der Gala anlässlich seines 50. Geburtstags am 31. Oktober letzten Jahres im Hamburger Knust erstmals auftrat und bis heute sein Anti-Liebeslied „Viel zu glücklich (um es lange zu bleiben)“ im Live-Repertoire hat. Im idyllischen, von Bäumen gesäumten Bürgerpark gehört es erwartungsgemäß zu den Highlights des Sets. 


 Der Regen nimmt zu, Zuschauer suchen unter den Überdachungen der Getränkestände Schutz, während Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen standhaft mit der stolzen Urbanitätshymne „Ein Fremder in der eigenen Stadt“, dem Fußballsong „Nimm mich mit zum Spiel“ und der Marotten-Ode „Mach mich traurig“ (mit Zeilen wie: Bitte sei lieb und lass mich allein / Oder nimm die Bratpfanne und schlag auf mich ein / Denn aus seltsamen Grund bestimmt nicht gesund / Lieb ich es, traurig zu sein“) ihre fulminante Mod-Freilicht-Disco auch ohne eine einzige Superpunk-Nummer souverän beenden. 



Setlist Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Stade: 

01: Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar Du) 
02: Ich lass mich gehen in letzter Zeit 
03: Der fünfte Four Top 
04: Weine nicht, es ist nur ein Film 
05: Frühling im Park 
06: Meine Jeans 
07: Kennst Du Werner Enke? 
08: Viel zu glücklich (um es lange zu bleiben) (Bernd Begemann - Cover) 
09: Ein Fremder in der eigenen Stadt 
10: Nimm mich mit zum Spiel 
11: Mach mich traurig 


Links:
- aus unserem Archiv:
- Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Stuttgart, 24.04.2013

 




 

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