Mittwoch, 8. Juli 2015

Iggy Pop, Keflavik, 02.07.15


Konzert: Iggy Pop
Ort: Atlantic Studios, Keflavik (ATP Iceland)
Datum: 02.07.2015
Dauer: ca. 75 min
Zuschauer: ca. 7.000



Für 50 DM musste ich 1989 verdammt lange arbeiten. Dafür bekam man auch eine Menge dafür. 53 Liter Diesel zum Beispiel. Daß ich auf einer Plattenbörse in Koblenz 1989 50 DM für eine einzelne Platte ausgab, fand ich damals schon irre. Es gab sie aber nicht mehr, sie war überall vergriffen. Auch keiner meiner Freunde konnte helfen. Also finanzierte ich dem schmierigen Verkäufer eine Tankfüllung und erstand Iggy Pops Lust for life, lange Zeit meine mit Abstand teuerste Platte. Einige Wochen später, Anfang 1990 erschien Lust for life dann auch auf CD. Dadurch wurde mein Vinylkauf noch einmal schmerzhafter und teurer. Oft habe ich Lust for life in der Folge nicht mehr gehört.


Iggy Pop hatte von meinem Kauf gar nichts. Er wird aber vermutlich ganz gutes Geld mit seiner Kunst gemacht haben.* Und das gleich wieder auf die ein oder andere Art in seinen Körper investiert haben. Als er mir am ersten Abend des ATP zum ersten Mal in einem Konzertsaal begegnete, wechselten sich bei mir verschiedenste Gefühle ab. Hier rannte ein wichtiger Beitragender meiner musikalischen Früherziehung über die Bühne, 68 Jahre alt, wie es seine Folklore verlangt nach dem ersten Lied bereits ohne die Lederjacke, die vorher seinen nackten Oberkörper bedeckt hatte, er war dabei aber trotz aller Energie so deutlich körperlich (und vermutlich nicht nur körperlich) angeschlagen, daß Begeisterung für Songs, Mitleid, Anerkennung und Scham sich alle paar Sekunden abschlugen. Daß die Jacke aus viel glatterem Leder als der Oberkörper ist... geschenkt! Aber eine wilde Bühnenshow mit ganz eindeutig kaputter Hüfte, sodaß Iggy Pop ein Bein nachziehen musste, das gab der Show einen schrecklich faden Beigeschmack. So als würde Eike Immel gegen kleines Geld sich bei irgendwelchen Spielen der Legenden auf Kabel eins in die Ecke schmeißen müssen, wohl wissend, wie weh das am nächsten Morgen tut. 

Schlimm auf einer anderen Ebene waren Iggys Wink-Orgien. Immer wieder verrenkte er sich (vielleicht einfach, um die Hüfte zu schonen) und winkte wie die Teletubbies, nein sehr viel irrer ins Publikum. Irgendwann guckte er durch das Publikum durch und fragte "what's your name?" 

Wenn man als Künstler alles richtig macht, altert man in Würde. Hätte ich die Show nur gehört und nicht gesehen, hätte ich das für Iggy Pop sofort auch unterschrieben. Aber wenn einem bei I wanna be your dog Assoziationen von dreibeinigen Hunden im Südeuropa-Urlaub durch den Kopf gehen, leidet mein Musikgenuß durch zu viele Mitleidattacken.

Iggy spielte eine Stunde und nocheinmal 15 min Zugaben. Das Set war zwar weder akustisch noch eine Mischung der beiden Platten Lust for life und The idiot, wie es am Anfang einmal angekündigt worden war, von beiden Platten spielten der Mann aus Ypsilanti und seine junge schottische (meine ich gehört zu haben) Begleitband eine Menge Songs. Der Rest stammte entweder von dem Stooges Debüt oder von seiner 1979er Platte New values. Es waren also fast ausschließlich Songs aus den 70ern und früher. Ich glaube, Skull ring war das einzige jüngere Stück.

"Meine Hits", die Lieder, die ich vor 25 Jahren rauf und runter gehört habe, spielte der alte Indianer alle. Aber alle ganz am Anfang. Später kam dann noch das Cover Wild one, mit dem Iggy damals ein riesiger Hit gelungen war. Nur China girl und Candy fehlten mir. Vor allem das letzte (mit Kate Pierson, der Frau mit der tollsten Stimme) habe ich heiß und innig geliebt, das hat er aber seit den frühen 90ern nicht mehr live gespielt.

Ich bin heilfroh, das ganze Konzert gesehen zu haben - Iggy Pop endlich einmal gesehen zu haben. Aber ein Genuß ohne Beigeschmack war das nicht. 

Hoffentlich hast Du spießige Freunde gehabt, Iggy, und Geld in eine Krankenkasse eingezahlt...

Setlist Iggy Pop, ATP Iceland, Keflavik:

01: No fun 
02: I wanna be your dog 
03: The passenger 
04: Lust for life 
05: Skull ring 
06: Sixteen 
07: Five foot one 
08: 1969 
09: Sister midnight 
10: Real wild child (Wild one) (Johnny O'Keefe Cover) 
11: Nightclubbing 
12: Some weird sin 
13: Mass production 

14: I'm bored (Z)
15: Funtime (Z)
16: Neighborhood threat (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Iggy Pop & The Stooges, Paris, 15.09.07


* nein, hier kommt jetzt kein Gag, daß er sich kein Hemd leisten kann
 

 

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