Dienstag, 15. August 2017

Evripidis and his Tragedies, Ripley, 30.07.17


Konzert: Evripidis and his Tragedies
Ort: Midlands Railway Centre,
Datum: 30.07.2017
Dauer: gut 45 min
Zuschauer: volle Kirche



Meine Indietracks-Vorbereitung ist immer gleich. Das Festival veröffentlicht ein paar Wochen vorher eine Bandcamp-Playlist mit einem Song pro Band, die ich dann höre. Da ich werder Spotify noch andere Streaming-Dienste verwende und die wenigsten Künstler ein großes Gesamtwerk haben, ist es nicht ganz einfach, die Auftritte auszuwählen, die ich nicht verpassen darf. Und da jedes Indietracks mindestens einen neuen Lieblingskünstler im Lineup hat, ist die Verantwortung groß, den auch zu finden.




Fifteen again von Evripidis and his Tragedies fand ich beim ersten Hören nett, beim zweiten großartig! Der Grieche könnte ein nach der Geburt getrennter Bruder von Jens Lekman sein, sein Konzert war natürlich gesetzt, obwohl es in der Mini-Kirche stattfinden sollte und die nur über vielleicht 100 Plätze verfügt. 

Die beiden Platten und eine Single hatten wir auf Verdacht schon einmal vor dem Auftritt in der anderen Kirche, der Church of merch gekauft.

Evripidis trat um 18:20 am Sonntag auf. Der griechische Sänger trug Kapitänsmütze (warum auch nicht!) und spielte Keyboard. Neben ihm stand eine Sängerin (Elisa, wenn ich das richtig verstanden habe) und ein weiterer Mann (Marc), der beim Soundcheck eine singende Säge einspielte. Hier war ich sowas von richtig! Das erste Lied war The bluest summer von der 2011 erschienen Platte A healthy dose of pain. Alle drei sangen, Evripidis spielte Klavier, Elisa trötete eine Tröte. Es war wundervoll. Live war da oft mehr Loveboat als Jens Lekman, das machte das Konzert aber keinen Deut schlechter und klingt hier ganz furchtbar falsch. Aber wenn die Musik auf Kreuzfahrtschiffen brillant wäre, wäre Evripidis der größte Star der Szene!



Fifteen again handele von der Zeit, als alles noch schlecht gewesen sei, das Geld, der Sex. Als der Sänger weiter erklärte, worum es ging, erinnerte Elisa ihn an seinen schlechten Sex. Die Dialoge der beiden waren wundervoll, die Spanierin sang zwar "nur" eine der beiden zuzätzlichen Stimmen (und spielte alle möglichen Percussions-Dinge), sie hatte aber auch die Rolle der Co-Frontfrau, was immer wieder sehr komisch war. Marcs tiefe Stimme erzeugte immer wieder Comedian Harmonists-Referenzen, aber auch das führt leicht in die Irre, das Konzert klang nicht wie irgendwas, es klang sehr eigen und war hoch unterhaltsam!


Das dritte Lied We're so scared war ein heimlicher Liebling. Evripidis und Marc sangen die gleiche Melodie, Elisa antwortete den beiden immer wieder, das war wunderschön. We're scared ist die Single, die wir vor dem Konzert gekauft hatten. Der griechische Sänger, der mittlerweile in Barcelona lebt, richtete danach einen Appell an uns alle. Einer der Käufer dieser 7" habe sie ohne das Inlay mit den Texten gekauft, der solle sich bitte hinterher melden (das war ich, ich gewinne sonst nie was). 



Beim vierten Lied (und ja, ich muß zu allen Liedern etwas schreiben) kam erstmals die singende Säge zum Einsatz. Sie klang wie eine Sopranistin, die eine sehr hohe Arie singt. Das Lied (Futile games in space and time) ist der Titelsong der letzten Platte von Evripidis Sabatis. Bei Bandcamp kann man das und alle anderen Veröffentlichungen (zehn) übrigens zur Zeit sehr günstig kaufen, sollte man auch machen!

Evripidis' Lieder handeln von seinem Leben und dessen Tücken, klingen dazu aber nach Traumschiff (und heißen in diesem Fall auch so).
 

My friends are saying
That you are so much more Titanic than Love Boat 

And that you´ll drag me down, down, down, down 
But all those evenings 
That we spend in my room 
They always take me higher 
Than wine, pot or glue 
I´d die to sail with you to distant islands 
Or hit the sea bed 
Among fish and mermaids 
We´d lose our heads 
Oh what a happy shipwreck we could be 
Together 
Just say you'll love me 
Forever 
´Cause it's hard to be 
Just your friend 
When I yearn to cruise with 
You to the end 
You´re my dreamboat

Dreamboat begleitete Elisa mit Rhythmus-Hölzern, ein so einfaches Mittel, es klang aber herrlich.

Die meisten der Lieder stammten vom aktuellen Album, so auch 1959, das ein wenig nach Bar-Piano klang. Ach, ich verwende heute entsetzliche Vergleiche. Aber die sind alle als Kompliment gedacht, an Evripidis' Konzert war nämlich nichts nicht gut. Selbst die Todsünde, uns zum Mitklatschen bei Just a kleenex aufzufordern (und das in einer Kirche!), verzeihe ich den zwei echten  und dem einen Wahlspanier. "Macht doch bitte im Gospel-Stil mit, weil wir hier in der Kirche sind," forderte die Sängerin. "It's not exactly of a holy nature," ergänzte der Mann mit der Mütze. "You'll find out why!"

Bei Abroad, das von nicht mehr aktuellen Dingen wie Ferngesprächen aus Internet-Läden handelt, sangen drei, Evripidis, Elisa und die Säge, so schön!

"Das nächste Lied heißt It's always me. Ich habe es vor vielen Jahren geschrieben, als ich so sehr in diesen Typen verliebt war. Als es fertig war, hatte ich den schon wieder vergessen, also habe ich beschlossen, es dem Mann meines Lebens zu widmen. Mir. Ich musste nicht ein Wort im ganzen Song ändern!"


Ich hätte da noch ewig zuhören können. Nach Evripidis spielte Lilith Ai, eine Hip Hop Künstlerin, für die sprach, daß danach Mammoth Penguins in der schwer zugänglichen Kirche spielten. Aber deren 40 min hätten ruhig dem Trio aus Barcelona noch draufgeschlagen werden können. 

Letztes Lied war Our trash, auch das... irre! Das Stück handelte von einer Phase in seinem Leben, in der Evripidis Bettmensch war, sein Leben also auf seinem Bett verbrachte und um sich rum Abfall anhäufte, die Spuren dieses Lebens eben.

Daß das Konzert einer der Höhepunkte des Wochenendes werden würde, hatte ich erwartet, daß es so gut sein würde, allerdings nicht. Evripidis' Lebenskatastrophen sind sehr unterhaltsam und zusehenswert!

Setlist Evripidis and his Tragedies, Indietracks, Ripley:

01: The bluest summer
02: Fifteen again
03: We're so scared
04: Futile games in space and time
05: Dreamboat
06: 1959
07: Just a kleenex
08: Abroad
09: It's always me
10: Our trash




 

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